Nach dem Sex einschlafen: Hop oder Top?

Schon mal erlebt? Ein inniges, heißes oder akrobatisches Liebesspiel liegt hinter euch. Er ist gekommen – sie hoffentlich auch, da dreht er sich um und schläft ein. Einfach so, mir nichts, dir nichts. Und sie liegt da und hätte doch so gern noch ein wenig in seinem Arm gelegen, gekuschelt und geredet. Denn Frauen sind nach dem Sex oftmals eher munter als schläfrig und außerdem so was von bereit für ein paar Streicheleinheiten. Aber er ist weg, da ist nichts zu machen. Womöglich fängt er sogar direkt noch an, Wälder umzusägen. Das Einschlafen kann man nun persönlich nehmen und sich grämen. Oder wissen, was es damit auf sich hat und gleich ein bisschen entspannter damit umgehen. Denn was soll ich sagen, ihr seid nicht allein. Für diesen Zustand gibt es sogar einen Ausdruck: Postkoitale Müdigkeit! Manchmal hilft es, wenn man weiß, was hinter einem bestimmten Verhalten steckt. Vor allem hilft es, wenn man weiß, dass das vielleicht sogar nur ein Vorurteil ist.

Sex baut Stress ab und macht müde

Natürlich ist das wenig schmeichelhaft, wenn sich der Liebste nach getaner Arbeit geistig und emotional so einfach aus dem Staub macht. Und so richtig sexy ist das auch nicht. Doch es geht sogar noch schlimmer. Nämlich ein Mann, der mittendrin einschläft! Dafür sind allerdings auch Frauen prädestiniert. Die Szene dazu stelle ich mir folgendermaßen vor: Nach einer durchzechten Nacht fallen zwei übereinander her und versuchen sich beim Liebesspiel. Mit Ach und Krach finden sich die richtigen Andockpunkte. Aber dann überkommt einen oder gar beide eine bleierne Müdigkeit, sie fallen auseinander und wissen am nächsten Morgen nicht einmal mehr, ob überhaupt etwas vorgefallen ist. „Haben wir…?“ Ok, das ist worst case.

Also zurück zum einfachen Umdreh-Einschlaf-Sex. Warum werden Männer denn nun so müde? Ein Erklärungsansatz ist der beim Sex abfallende Adrenalin- und Noradrenalinspiegel. Diese Stresshormone regen das Herz-Kreislauf-System an. Bei Frauen steige der Spiegel, deshalb werden sie eher wacher, bei Männern falle er, dadurch entsteht Müdigkeit. Dieser Anstieg und Abfall wurde nach mehrmaligen Blutuntersuchungen während der Koitusaktivitäten festgestellt und 2003 im britischen „The Journal of endocrinology“ veröffentlicht. Dazu kommt noch Prolaktin, das dafür sorgt, dass Männer sorgenfrei und zufrieden einschliefen, während Frauen durch die Ausschüttung von Oxytocin eher anschmiegsam und kuschelbedürftig werden. Und es ist ja tatsächlich so, dass durch Sex Stress abgebaut wird. So manches Liebesspiel und so manche sexuelle Selbstbetätigung hat sogar nur dieses eine Ziel. Da ist die anschließende Entspannung vorprogrammiert.

Aber sind es nun tatsächlich nur die Hormone, die zum Einschlafen führen? Dann wären wir ja fein raus aus der Verantwortung. Denn wer kann sich dagegen schon wehren? Naja, so einfach ist das wohl nicht und wir sind immer noch Herren und Herrinnen über unsere Sinne, unseren Körper und unseren Geist. Schauen wir mal, was es noch so an Erklärungsansätzen gibt. Einleuchtender finde ich die Idee, dass Männer schlichtweg erschöpft seien. Immerhin kann Sex für Männer auch ein ganz schöner Kraftakt sein. Denn sie sind es vornehmlich, die durch das Vor- und Zurück ihrer Hüfte aktiv in die Frau eindringen und sozusagen wie ein Hammer auf den Amboss treffen – wobei das nicht die Art von Sex ist, die Frauen sich nun unbedingt immer herbeisehnen. Dies trifft besonders auf die beliebten Positionen Missionarsstellung oder Doggy Style zu, denn hier hat er den Hauptanteil am Geschehen. Sitzt die Frau erst einmal oben, ist es für sie ebenso schweißtreibend.

Wer beim Sex ans Abnehmen denkt, sollte sich also tunlichst nach oben schwingen und das Zepter in die Hand nehmen. Auch beim Vorspiel sind Männer manchmal ausdauernder. Das liegt wohl vor allem daran, dass wir Frauen eben länger brauchen, bis wir so richtig auf Touren sind. Und hat es sich ein Mann zum Ziel gesetzt, seine Liebste mit den Händen oder der Zunge zum Höhepunkt zu bringen, braucht er Durchhaltevermögen und einen starken Zungenmuskel. Natürlich ist das nicht bei allen so, ich weiß. Und nicht jeder Sex ist derartig aufreibend. Aber es schlafen ja auch nicht alle Männer jedes Mal direkt nach dem Sex ein.

Sind es denn wirklich nur die Männer?

Die Frage ist nur, ob es tatsächlich immer die Männer sind, die einschlafen oder ob sich das nur so anfühlt. Denn es gibt eine Studie der Universität Michigan, die belegt, dass es keinen geschlechtstypischen Unterschied gibt. Vielleicht ist es einfach so, dass uns Frauen das männliche Einschlafen einfach mehr auffällt, weil wir nach dem Sex eben gern noch kuscheln und uns das Nachspiel deshalb so wichtig ist. Wir brauchen noch einen Augenblick der emotionalen Intimität, sonst fühlen wir uns schnell eher als Sexobjekt denn als Geliebte. Wenn andersherum eine Frau nach dem Sex einschläft, freut sich der Partner vielleicht sogar und denkt „Wow, ich muss wirklich gut gewesen sein, wenn sie so entspannt ist!“

Außerdem ist Sex für Männer ihre Art, Liebe auszudrücken und sie haben uns doch nun schweißtreibend genug gezeigt, wie sehr sie uns lieben. Warum dann noch kuscheln? Ein Ansatz wäre es, dem Liebsten verständlich zu erklären, warum uns ein auch noch so kurzes in den Arm genommen und liebevoll geküsst werden so wichtig ist. Und Sex muss auch nicht immer körperlich so anstrengend sein, dass er oder sie erschöpft wie nach einem Marathon in den Tiefschlaf fällt.

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