„Ich habe gestern auf einer Party ein süßes Mädchen kennengelernt. Als wir uns küssten, fiel mir auf, dass sich bei mir automatisch die Augen schlossen. Ich habe bei anderen Gelegenheiten versucht, sie offenzuhalten, aber mir gingen die Augen immer wieder zu. Auch bei anderen Pärchen habe ich das beobachtet. Warum ist das so? Hat das etwas zu bedeuten?“ Das ist die Frage eines 14-Jährigen an das Dr. Sommer-Team. Gefunden in einer alten Ausgabe der Bravo von 1979. Und auch heute noch starten wir zumeist mit einem Kuss in das Abenteuer Liebesleben.
Hat das Schließen der Augen denn nun etwas zu bedeuten? Wie ist das bei Euch?
Ich nehme an, die meisten werden wie der Jugendliche oben die Augen schließen. Denn dann können wir uns ganz dem Gefühl hingeben und genießen. Frauen schließen die Augen angeblich häufiger als Männer. Könnt Ihr das bestätigen?
Küssen ist die ultimative Art, sowohl Zuneigung auszudrücken als auch sich in Fahrt zu bringen. Denn küssen können wir auf höchst unterschiedlich Weise:
Am aufregendsten ist wohl der erotische Kuss. Wenn Lippen aufeinander treffen und Zungen sich umschlingen, steigt der Puls und nicht nur unser Gesicht wird stärker durchblutet. Zuweilen scheint es dann eine direkte Verbindung zu unserem Unterleib zu geben. Wenn wir uns verlieben, ist Küssen meistens der erste intime Kontakt. Wir genießen die Nähe und die Lust, die dabei entsteht. Dieser intensive Zungenkuss gerät bei vielen Paaren leider irgendwann auf die Abstellbank. Was passiert, wenn wir das Küssen in einer Beziehung aber ganz vergessen?
So genau weiß das eigentlich keiner. Denn es gibt kaum ein Thema, über das in der Sexualwissenschaft weniger geforscht wird wie über das Küssen. Trotzdem gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze:
Durch einen Kuss wurden in den 1950er Jahren die ganz großen Gefühle für den Zuschauer auf die Leinwand gebracht. Mehr ging damals nicht und mehr war auch gar nicht erlaubt. Diese intensive Verbindung von Liebe und Lippen scheint sich in unseren Köpfen festgesetzt zu haben. Also doch erlerntes Verhalten, wobei Lacroix die Entwicklung des Kusses eher aus der gesellschaftlichen und religiösen Sichtweise betrachtet. Andere Ursache, gleiche Wirkung.
So viel zur Theorie. Warum auch immer wir Menschen uns küssen, bleibt letztendlich die Tatsache, dass wir es tun. Und wir merken schnell, wie sehr das Küssen mit unseren Gefühlen verbunden ist. Egal, ob nun Zärtlichkeit, Romantik oder wilde Lust dahinterstecken, zeigen wir dem oder der anderen unsere Wertschätzung und unsere Zuneigung. Und dies tun wir freiwillig aus einem inneren Impuls heraus, der uns antreibt.
Wenn wir uns nicht mehr küssen, sollten wir uns fragen, was dahintersteckt. Würgen wir den Impuls ab, um den anderen damit zu bestrafen und ihm oder ihr und auch uns selber zu zeigen, dass etwas nicht stimmt mit uns? Haben wir uns entfremdet? Oder ist unser Leben so von der Routine bestimmt, dass für Nähe kein Platz mehr bleibt? Fehlt uns das Küssen? Dann sollten wir handeln. Wie wäre es mit nur einem bewussten Kuss am Tag? Als kleine Routine. Eine Umarmung mit einem innigen Kuss mit geschlossenen Augen. Fühlen, genießen. Bevor wir in den Tag starten, aus dem Haus kommen, wieder zurück sind oder uns schlafen legen. Denn alles können wir mit uns allein anstellen, nur küssen können wir uns nicht selber.
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