Was ist eigentlich ein Orgasmus?

Das scheint auf den ersten Blick eine ganz einfache Frage zu sein. Ein Orgasmus? Das ist doch klar! Das höchste Glück beim Sex! Ein Gefühl, das Suchtpotential hat! Der erfolgreiche Abschluss des Liebesspiels!

Wirklich? Da fangen die Fragen schon an:

  • Was ist mit einem Liebesspiel, das nicht in einem Orgasmus endet? Ist das dann nicht erfolgreich?
  • Und fühlt sich ein Orgasmus immer gleich toll an? Oder gibt es Unterschiede?
  • Kann es sein, dass eine Frau ihre Orgasmen gar nicht bemerkt, weil sie etwas ganz anderes erwartet?
  • Warum kommen manche Frauen gar nicht und andere allein durch die Kraft ihrer Gedanken?
  • Wie viele Arten von Orgasmen gibt es bei Frauen?
  • Können Männer mehrmals kommen?
  • Gibt es Orgasmen ohne Ejakulation?
  • Kann man den Höhepunkt üben? Verlängern? Hinauszögern? Mehrfach erleben?
  • Wie wirkt sich der Grad der Erregung auf das Empfinden aus?

Ihr seht, so einfach ist die Frage gar nicht zu beantworten.

Kann man Gefühle vergleichen?

Die Sexualmedizin definiert den Orgasmus als „Höhepunkt des sexuellen Erlebens“. Bei Frauen und Männern kommt es dabei zu rhythmischen Kontraktionen der Beckenbodenmuskulatur. Apropos „kommt“, ja, genau das wollen wir ja auch: Kommen bitteschön. Bei Männern wird der Höhepunkt zumeist von einer Ejakulation begleitet, während bei manchen Frauen die paraurethralen Drüsen eine ähnliche Flüssigkeit absondern. Diese wird auch als weibliches Ejakulat bezeichnet. Frauen können also auch abspritzen. Bei Männern dauern die Kontraktionen nur wenige Sekunden. Dann ist das Ejakulat herausgeschossen und der Höhepunkt vorbei.

Bei Frauen hingegen kann das Ganze etwas länger dauern. Mehrere Orgasmen hintereinander sind keine Seltenheit. Aber fühlt sich das unterschiedlich an? Ein großer und mehrere kleine Höhepunkte? Ein kleiner und mehrere große? Man weiß es nicht und ein solches Gefühl lässt sich auch einfach nicht vergleichen. Wir kennen ja IMMER nur eine Seite. Wir können lediglich beurteilen, ob sich unsere eigenen Orgasmen unterschiedlich anfühlen. Und wir können versuchen, zu fühlen, wo genau wir fühlen. Und auch das ist schwierig genug!

Wie viele Arten von Orgasmen gibt es?

Es ist schon spannend, wie wenig wir dann doch über diese Vorgänge wissen. Zwar lässt sich wissenschaftlich ein bestimmter Ablauf der sexuellen Reaktion festlegen. Die Sexualpioniere Masters und Johnson haben die bis heute geltenden Phasen erforscht und festgelegt: Erregungsphase, Plateauphase, Orgasmusphase und Rückbildungsphase.

Bei Frauen gestaltet sich jedoch schon der Orgasmus als wesentlich komplizierter als dieser einfach erscheinende Ablauf. Das amerikanische Portal The Verge spricht von fünf Formen des weiblichen Orgasmus, die amerikanische Sex-Expertin Lou Paget gar von zehn. Muttermund? G-Punkt? A-Punkt? Klitoral? Vaginal? Ganz egal, sage ich da.

Ist das denn überhaupt wichtig, um ein wunderbares Gefühl genießen zu können? Meiner Meinung nach setzt es uns nur unter unnötigen Druck, wenn wir unbedingt alle möglichen Arten von Orgasmen durchspielen wollen. „So, Schatz, heute schauen wir mal, was dein Gebärmutterhals macht. Ich habe gehört, das soll auch so ein Orgasmuspunkt sein. Das muss doch bei dir auch funktionieren.“ „Ja, mach mal. Gestern hatte ich nur einen klitoralen Höhepunkt. Der Vaginale soll viel intensiver sein. Deswegen habe ich die ganze Woche allein geübt.“

Ein Reflex namens Orgasmus

Man kann den Orgasmus auch als einen Reflex definieren. Ebenso reflexhaft reagieren wir zuerst auf bestimmte Reize mit sexueller Erregung. Diese Reize sind individuell sehr unterschiedlich: Gerüche, Gedanken, Bilder, Berührungen und vieles mehr.

Steigern wir die Erregung, kommen wir bestenfalls irgendwann an den Point of no return (PONR), an dem der Orgasmus nicht mehr aufzuhalten ist. Bei Männern ist das der Moment der Ejakulation. Sie können trainieren, kurz vor dem PONR die Erregung wieder abflauen zu lassen, um dann wieder bis kurz vor diesen Punkt zu kommen.

Bei Frauen ist der Weg zum PONR störanfälliger. Gedanken, Geräusche, Selbstzweifel, all das kann die Erregungskurve im Nullkommanichts zum Absturz bringen. Und auch der Orgasmus selbst kann noch kurz vorher wie ein Niesen abgewürgt werden. Das machen Frauen natürlich nicht mit Absicht. Aber ein unbewusstes Gedankenkonstrukt aus „so etwas machen Frauen nicht, Frauen zeigen ihre Lust nicht, bloß nicht die Kontrolle verlieren, oh Gott, wie sehe ich aus?“ sorgt dafür, dass es keine Entspannung, keinen Raum für dieses Loslassen, das den Orgasmus ja auch ausmacht, gibt.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Wie schön, dass es wenigstens bei Männern etwas einfacher zugeht. Hier wird der Orgasmus in der Regel durch die Stimulation von Penisschaft und Peniseichel hervorgerufen. Mittlerweile hat sich auch herumgesprochen, dass eine Stimulation der Prostata einen Höhepunkt hervorrufen kann. Allerdings ist diese sexuelle Praktik nicht jedermanfraus Sache.

Bei Frauen muss man es allerdings auch nicht so kompliziert machen und die Messlatte mit immer neuen Orgasmusarten immer höher legen. Ich gehöre zu den Klitoris-AnhängerInnen und vertrete die Auffassung, dass die Klitoris mit ihrem kleinen Schaft und der gebündelten Kraft von 8000 Nervenenden in der Eichel das Zentrum des weiblichen Orgasmus ist. Nun beschränkt sich das Lustempfinden aber nicht nur auf diese kleine Perle, die zuweilen so weit vom Scheideneingang entfernt liegt, dass sie bei der Penetration nicht direkt berührt wird. Die Klitoris umrahmt mit ihren erst 1998 entdeckten Schenkeln auch den Vaginaleingang.

Das Schöne daran ist, dass es deshalb nicht auf die Penislänge ankommt sondern viel mehr auf die Art der Bewegung. Probiert statt des üblichen Rein-Raus doch einmal eher kreisförmige Bewegungen und massiert mit dem Penis den Scheideneingang. Das wirkt Wunder. Und wenn dann ein Orgasmus kommt und Ihr Euch fragt, was für einer das nun ist, denkt an die Worte von Betty Dodson: „Ein Orgasmus ist ein Orgasmus ist ein Orgasmus“ und genießt es einfach!

Veröffentlicht auf orion.de

Leave a Comment: