Kondome sind ein leidiges Thema. Das beste Produkt bringt nichts, wenn man es nicht anwendet. Ein ganz großes Problem beim Kondom ist und bleibt ja leider die Unterbrechung beim Liebesspiel. Kurze Pause, Gehirn wieder einschalten, Kondom suchen, aufreißen, überziehen, weitermachen. Wie schnell denkt man im Eifer des Gefechts auch, ach, da wird schon nichts passieren, vielleicht verhütet sie, sonst hätte sie ja etwas gesagt, ach der Typ ist so süß, der vögelt bestimmt nicht durch die Gegend. Ja, genau. Wenn es nur um Verhütung ginge, wäre das vielleicht auch gar nicht so schlimm, schließlich gibt es zumindest für Frauen vom Diaphragma bis hin zu Pille und Verhütungspflaster jede Menge Möglichkeiten. Abgesehen von der endgültigen Sterilisation gibt es für Männer leider nur eines und das ist das Kondom. Womit wir wieder beim Thema wären.
Viel wichtiger noch: Kondome sind abgesehen von der Abstinenz – und wer will das schon – der einzige Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionen (IST). Deshalb brauchen wir sie! Deshalb sind sie unersetzlich! Und deshalb sollte die Anwendung so einfach und angenehm sein, wie nur möglich! Dass sie aber leider gar nicht so beliebt wie notwendig sind, lässt sich an den steigenden Zahlen von STI sehen. HIV-Neuinfektionen gehen zurück, dafür stecken sich wieder mehr Menschen mit Syphilis, Hepatitis B und C, Chlamydien usw. an. Wollen wir das? Nein! Was brauchen wir? Neue Kondome!
Nun wird ja fieberhaft geforscht. 2013 kam der Wingman auf den Markt. Er versprach so einiges. Mit seinem besonders dünnen Material sollte er besonders gefühlsecht sein und mit einer eigens entwickelten Spange, den Flügeln, sollte das Überziehen besonders leicht sein. Fehlanzeige. Das Material war so dünn, dass es besonders leicht riss. Und die Spange machte das Überziehen nicht leichter, sondern verwirrte die Liebenden stattdessen. Die Firma Origami will das Rollen gleich ganz abschaffen und setzt auf eine Ziehharmonika-Technik. Und in diesen Tagen kam die Meldung, dass australische Wissenschaftler an einem Super-Kondom forschen. Ein neuartiges Material aus Hydrogel soll strapazierfähig, gefühlsecht und biologisch abbaubar sein und zu allem Überfluss auch noch von selbst gleiten. Gefühlsecht wäre ganz wunderbar, denn wie oft zieren sich Männer mit dem Argument: „Ach ne, wenn ich ein Kondom benutze, fühle ich nichts“ – welche Frau hat das nicht schon einmal gehört?
Bei Frauen sind Kondome weit weniger unbeliebt und das Verständnis für sich zierende Männer hält sich in Grenzen. Aber sie müssen sie ja auch nicht selber benutzen. Da sieht es bei dem weiblichen Pendant, dem Femidom schon ganz anders aus. Das wird im Gegensatz zum Kondom nicht über den Penis gestülpt sondern in die Vagina gesteckt. In Sachen Verhütung und Safer Sex steht das Femidom dem Kondom in nichts nach. Die Anwendung ist allerdings nicht ganz einfach und dazu sind sie mit vier Euro pro Stück auch noch verhältnismäßig teuer. Und ganz schnell haben auch Frauen kein Interesse mehr an dieser Art des Schutzes. Ich für meinen Teil kenne bisher keine, die es schon einmal ausprobiert hat.
„Neue Männer braucht das Land“, sang Ina Deter in den Achtzigern. Was singen wir heute? „Neue Kondome braucht das Land“! Und je nach Land verzichten tatsächlich 28% bis 50% der Männer mit wechselnden Geschlechtspartnern auf den Gebrauch von Kondomen. Das muss geändert werden! Dabei gilt es drei Dinge zu beachten: Schutz vor Schwangerschaften, Schutz vor STI und soviel Komfort wie möglich, damit sie auch benutzt werden. Gar nicht so einfach, wie man sieht. Und deshalb finde ich es gut, dass die australischen Wissenschaftler Forschungsgelder für ihr Projekt bekommen. Hier geht es nicht um wirtschaftliche Interessen. Hier geht es um Verantwortung! Bis die neuen Kondome da sind, vergnügen wir uns mit der klassischen Variante.
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