Sexuelle Sprache: Sag es einfach – Sag es in Deinen Worten

Neulich Abend saß ich mit ein paar Freundinnen zusammen und wir redeten mal wieder über Sex. Das kommt bei mir ja gerne vor. Diesmal ging es um Sprache und Begrifflichkeiten. „Du Anja, was soll denn ‚Liebe machen’ eigentlich bedeuten? Was hat denn das mit Sex zu tun?“ Hochgezogene Augenbrauen meinerseits. Ist doch klar. „Liebe machen“ bedeutet, dem Partner körperlich meine Liebe zu zeigen, ihn zu lieben, mich lieben zu lassen. Jede Berührung auch eine Berührung der Seele. Weg von der puren Lust, hin zum großen Gefühl. Hin zu dem, was den Sex ja erst so richtig schön macht. Das nun führte zu hochgezogenen Augenbrauen auf der anderen Seite. Denn für die hatte dieser Begriff eine ganz andere Bedeutung. Lieben als das tiefe Gefühl der Zuneigung, nicht aber als Handlung. Sie kannte die alte Umschreibung „Liebe machen“ für Sex einfach gar nicht. Irgendwann hatten wird uns dann verstanden. Klar war am Ende des Abends einmal wieder, dass das jeder anders sieht und in der Sexualität eins plus eins niemals zwei ergibt.

Begrifflichkeiten

Sexualität und Sprache: ein hoch komplexes Thema. Über die eigene Sexualität zu sprechen ebenfalls. Das fällt den meisten Menschen schwer, denn es ist sehr intim und persönlich. So unterschiedlich wir sie leben, so unterschiedlich sind unsere Begrifflichkeiten. Nicht nur zwischen verschiedenen Menschen, sondern auch situationsabhängig. Liebe machen, miteinander schlafen, Sex haben, vögeln, flachlegen, ficken. Das sind nur so ein paar Begriffe, zufällig in der Reihenfolge, wie ich sie wahrnehme. Von der Verschmelzung der Seelen hin zum animalischen Gestoße.

Und diese Qual der Wahl beschränkt sich ja beileibe nicht auf den sexuellen Akt an sich. Nein, da gibt es ja noch die Geschlechtsorgane: Vagina, Muschi, Möse, Schatzkästchen, Pussy, Schlitz, Penis, Schwanz, Schwengel, Pimmel, Luststab, bestes Stück – auch diese Liste ist endlos. Von deutschen Begriffen wie Hoden, Kitzler, Schamlippen über die fremdsprachlichen wie koitieren, Fellatio, Cunnilingus bis hin zu den derben und anschaulichen wie arschficken, Titten und blasen. Gerade letztere haben eine hohe emotionale Aufladung und finden vor allem Verwendung in der sexuellen Situation. Dirty Talk, Sprache als sexuelle Spielart. Da kann es dann nicht derb genug sein.

Was sich jedoch für den einen absolut heiß anhört und sofort zur Erektion führt, ist für den anderen Schnee von gestern und zieht nur ein müdes Gähnen nach sich. Jedes Paar entwickelt eine eigene Sexualsprache. Da werden Penis und Vagina auch mal stark verniedlicht, was durchaus dazu führen kann, dass sie ihren Reiz verlieren. In der Sexualpädagogik ist es eine beliebte Methode, über diese ganzen Begrifflichkeiten mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Was gefällt und was stößt ab. Apropos Jugendliche. Sprache ist lebendig. Sie verändert sich permanent. Was früher als anstößig galt, ist heute Umgangssprache. Ich denke da nur an das Wort „geil“. Als ich Teenager war, gab es bei Gebrauch einen Rüffel, dann war es cool und heute ist es out. Parken, Entsafter, ablaichen, juckig – das alles ist Jugendsprache. Und es ist nicht immer eindeutig, was sich dahinter verbirgt, oder?!

Den richtigen Ton treffen

Sprache gehört zur Sexualität wie der Schwanz in die Möse. Ha, hier in diesem Blog darf ich das schreiben, in anderen Kontexten halte ich mich lieber an Penis und Vagina. Privat spreche ich anders über Sexualität als in der professionellen Situation. Es kommt eben immer auf den Zusammenhang an. Und auf den Partner. Und darauf, sich mit der Sprache wohlzufühlen. Beim Arzt sachlich, im Bett derb. Es gibt kein richtig oder falsch. Und manchen Leuten ist Sprache auch ganz egal, so dass sie gar nicht merken, wenn ihr Ausdruck andere verletzt und Grenzen überschreitet. Wir sollten uns bewusst sein, dass das, was wir unter einem Begriff verstehen und der Zusammenhang, in dem wir ihn verwenden, für jemand anderen eine ganz andere Bedeutung haben kann.

Veröffentlicht auf https://www.orion.de/blog/lets-talk-sex-aber-wie/

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