1965 sang Trude Herr: „Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann!“ 2015 hat sich die Situation komplett verändert. Die Zeitschrift Für Sie startete eine Umfrage und stellte Erschreckendes fest. Heute verzichten von 1000 befragten Frauen 230 lieber auf Sex als auf Schokolade. Das kann ich noch nachvollziehen, liebe ich doch Schokolade auch so sehr. Aber 190 Frauen würden sogar für ein Schaumbad auf Sex verzichten! Also das sollte uns doch nun wirklich zu denken geben! Schaumbad statt Sex? Uns Frauen hingegen würden 62% der Männer für ein gutes Fußballspiel und 72% für ein neues Computerspiel sitzen lassen. Gut, das mit dem Fußball ist mir auch schon einmal passiert. Es ist aber auch blöd, wenn man gerade beim entscheidenden Pokalspiel Lust bekommt. Man sollte eben nie versuchen, mit einer zeitlich klar begrenzten Lieblingsbeschäftigung zu konkurrieren. Schokolade, Schaumbad, Fußball – was ist denn da nur passiert?!
Unsere Erwartungen an den partnerschaftlichen Sex sind hoch. Eigentlich soll es gern jedes Mal der ganz große Knall sein. Und wenn wir uns einmal in den Medien umsehen, scheint es so zu sein, als wäre Sex ein Allheilmittel. Nicht nur dass er – regelmäßig ausgeübt – gesund ist und die Lebenserwartung steigert. Nein, er schweißt auch zusammen. Es wird suggeriert, dass Sex ein immerwährender Quell der Lust und Leidenschaft sei. Unabhängig von der Qualität einer Beziehung. Unabhängig von der ursprünglichen Funktion von Sex, nämlich der Fortpflanzung – die für viele Menschen zu bestimmten Zeiten im Leben von elementarer Bedeutung ist. Und auch unabhängig von dem Können des Liebhabers und der Liebhaberin. Ich möchte das an zwei unterschiedliche Genres festmachen:
Immer so viel Sex und Lust wie am Anfang einer Beziehung? Fehlanzeige. Immerwährende sexuelle Potenz? Fehlanzeige. Der große Knall jedes Mal? Fehlanzeige. 95% aller heterosexuellen Begegnungen laufen in der Realität auf den vaginalen Geschlechtsverkehr hinaus. Das bedeutet aber im Klartext: Erektion und Orgasmus werden fast jedes Mal erwartet, wenn ein Paar erst einmal mit Sex angefangen hat. Und da soll kein Druck entstehen? Und keine Erwartungshaltung? Da lassen wir doch lieber gleich die Finger davon und essen stattdessen Schokolade. Was können wir aber machen, wenn wir das verändern wollen? Unsere Erwartungshaltung ändern. Sex kann auch schön sein, ohne Penetration und Höhepunkt. Denn Sexualität ist eben nicht nur Lust, Erregung und Orgasmus. Sexualität befriedigt auch die menschlichen Grundbedürfnisse nach Akzeptanz, Nähe, Sicherheit und Geborgenheit. Ganz ohne Druck.
Veröffentlicht auf https://www.orion.de/blog/liebe-und-lust-in-der-partnerschaft-schokolade-statt-sex/