Die lustvolle Wirkung vom Rollentausch im Schlafzimmer

„Schatz, nimmst du bitte den Müll mit raus?“ Wenn wir diesen Satz hören, haben wir ein bestimmtes Bild im Kopf. Bei den meisten unter uns wird es das von der Frau sein, die ihrem Mann hinterher ruft. Denn auch wenn sich die Geschlechterrollen langsam etwas angleichen, bleibt die Aufgabenverteilung zuhause doch häufig noch ganz traditionell verteilt: Sie Kinder, eventuell Job und Haushalt, er Job und handwerkliche Tätigkeiten. Sind hier Veränderungen gewünscht, muss ein Paar das ganz bewusst angehen. Wenn wir uns nun kulinarische Fähigkeiten oder handwerkliches Geschick anschauen, ist es durchaus lobenswert, Interesse dafür zu zeigen, was der oder die andere da so alles zaubert. Vielleicht lassen wir uns sogar zeigen, wie das geht.

Wir erleben auf diese Weise nicht nur etwas zusammen. Indem wir Neues ausprobieren und uns einmal in die Rolle des anderen begeben, entwickeln wir uns auch weiter. Nicht nur allein, auch als Paar. Wir spielen mit den klassischen Geschlechterrollen. Genauso ist es im Schlafzimmer. In vielen Beziehungen schleicht sich auch im Liebesleben mit der Zeit ein bestimmtes Rollenverhalten ein. Einer übernimmt die Führung und der oder die andere folgt. Es belebt das Sexuelle jedoch ungemein, wenn wir auch hier viel flexibler in den Rollen sind, denn Abwechslung bringt Spannung.

Wer übernimmt wirklich die Führung?

Wie ist das bei Ihnen in der Beziehung? Hat einer oder eine von Ihnen die Hosen an? Oder sind Sie für alle Aufgaben gleichermaßen verantwortlich? Und wie läuft das im Bett? Übernimmt da jemand klar die Führung oder sind Sie eher gleichberechtigt? Egal, welche Konstellation Sie bevorzugen, wenn es immer gleich abläuft, wird es irgendwann langweilig. Langweilig, weil es vorhersehbar ist. Am Anfang hat es auf diese Weise wahrscheinlich sehr gut geklappt und die Lust kam von allein. Und was sich gut bewährt, lassen wir so. Manchmal kommen wir von allein auch gar nicht auf die Idee, an der Situation etwas zu ändern. Dann braucht es einen Anstoß von außen. Anderseits kann es sein, dass beide längst davon träumen, entweder auch einmal die Führung zu übernehmen oder sich einmal ganz hinzugeben. Nur trauen wir uns nicht, dies auch auszusprechen. Vielleicht haben wir Angst, uns damit schwach zu zeigen oder wir befürchten, mit dem Wunsch abgewiesen zu werden.

Aber wer hat denn eigentlich die Macht im Bett? Wer führt? Das ist auf den ersten Blick oft gar nicht klar erkennbar. Denn Macht zeichnet sich nicht durch den Einsatz von Fesseln, Paddeln oder Augenbinden aus. Wer im Schlafzimmer das Sagen hat, lässt sich an ganz anderen Verhaltensweisen erkennen. Nehmen wir ein klassisches Beispiel: Er bestimmt mit seinem Job weitestgehend den Alltag, hat die Finanzen unter seinen Fittichen und entscheidet, wohin es im Urlaub gehen soll. Im Schlafzimmer möchte er sich ebenso durchsetzen. Nur kommt er damit nicht durch. Sie hat nämlich keine Lust. Und damit bestimmt sie hier, was wann gemacht wird. Sie setzt Sex bewusst oder unbewusst als Machtmittel ein und übernimmt damit die Führung. Oder aber sie erwartet von ihm, immer wieder verführt zu werden, schließlich ist er ja der Mann. Und Männer sind nun einmal als Verführer bekannt. Sie erscheint passiv, drängt ihn jedoch aktiv in die Rolle des Führenden, die er so vielleicht gar nicht haben möchte.

Viel von unserem Rollenverhalten hat damit zu tun, was wir als männlich und weiblich definieren. Männlichkeit wird oft mit Zielgerichtetheit, Aktivität, Rationalität, Führung und Eindringen verbunden. Weiblichkeit hingegen assoziieren wir mit Hingebung, Passivität, Emotionalität, Empathie und Aufnahme. Nur wer sagt denn, dass das so auf den einzelnen Menschen zutrifft? Und stimmt das überhaupt? Nein, es stimmt nicht. Denn wir befinden uns vielmehr in einem Kontinuum, in dem wir alle mehr oder weniger große Anteile von Männlichkeit und Weiblichkeit in uns vereinen. Und es kann unser Leben und unsere Sexualität bereichern, wenn wir die vorgegebene Polarität verlassen, wenn wir auch die anderen Anteile in uns entdecken und sie entfalten. Dann muss nicht er verführen und sie nicht abwarten. Dann kann er sich hingeben und sie die Initiative ergreifen.

Das Spiel mit Macht und Unterwerfung erotisiert

Wenn ich hier vom Rollentausch spreche, sind damit keine Rollenspiele gemeint. Es geht nicht darum, das Schwesternkostüm oder die Feuerwehruniform herauszuholen. Es geht auch nicht darum, Spielchen á la Shades of Grey zu veranstalten. Wir schaffen erotische Spannung schon allein dadurch, dass wir die angestammten Rollen verlassen. Dazu brauchen wir keine großartigen Utensilien. In Milan Kunderas Buch „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ gibt es dazu eine schöne Szene. Ein Paar albert herum. Sie ist halb nackt, er angezogen. Dann setzt er ihr einen alten Hut, eine Melone, auf. Und plötzlich wird aus dem Spaß Erregung, wird aus ihrer unbekümmerten Nacktheit ein erotisierter Körper. Er erscheint dominant, sie erniedrigt. Diese Energie nehmen die beiden spielerisch auf, anstatt die Situation einfach wieder zu verlassen.

Wir zeigen keine Schwäche, wenn wir die Führung abgeben oder Stärke, wenn wir sie übernehmen. Wir müssen nicht immer Leistung zeigen. Wir alle dürfen uns hingeben, dürfen unsere Spiritualität entdecken und uns verletzlich zeigen. Wir dürfen Berührungen genießen und mit unserer Sinnlichkeit spielen. Andersherum nehmen wir uns selber etwas von unserer sexuellen Energie, wenn wir in der passiven Rolle verharren, Frauen als auch Männer. Lust nährt sich aus dem Wechselspiel von Macht und Unterwerfung. Nicht umsonst haben so viele Frauen Überwältigungsphantasien. Sie träumen davon, derart viel Macht über einen Mann zu besitzen, dass dieser nicht an sich halten kann und sie überwältigt. Wir müssen nur lernen, diese Anteile in uns wahrzunehmen und zu akzeptieren und uns dabei von den übernommenen Rollenzuschreibungen zu lösen.

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