Der Zervix-Orgasmus: Lustvolle Gefühle am Gebärmutterhals

Der menschliche Körper steckt voller Wunder. Und trotzdem wir in den letzten Jahrhunderten so viel erforscht haben, gibt es auch heute immer noch wieder etwas Neues. Dabei bietet gerade die Sexualität ein weites Feld für erstaunliche Entdeckungen. Speziell die weibliche Lust stellt die Forscher vor ein großes Rätsel. Warum haben Frauen überhaupt einen Orgasmus? Was die Reproduktion betrifft, hat dieser schließlich kaum Bedeutung. Schwanger werden Frauen schließlich auch ganz ohne sexuelle Höhepunkte. Aber vielleicht hat die Natur es tatsächlich einfach nur gut gemeint mit uns. Manchmal ist sie in ihrer Pracht einfach unbeschreiblich und unbeschreiblich überschwänglich.

Und wo wird der weibliche Orgasmus ausgelöst? Noch so eine Frage ohne eindeutige Antwort. Gibt es den vaginalen Orgasmus? Oder ist es doch „nur“ die Klitoris? Immerhin ist diese wesentlich größer als ursprünglich angenommen. Erst 1998 hat die australische Urologin Helen O’Connell die wahre Größe der Klitoris entdeckt. Das ist gerade erst einmal 20 Jahre her! Gibt es somit einen klitoralen Komplex, der auch den umstrittenen G-Punkt mit einschließt? Und was ist mit unseren Traum-Orgasmen, bei denen wir uns gar nicht zu berühren brauchen? Fragen über Fragen. Und nun kommt nach Auffassung der Sexologin Olivia Bryant ein weiterer möglicher Lust- und Höhepunkt hinzu: Die Zervix, zu deutsch Gebärmutterhals.

Was ist die Zervix und wofür ist sie da?

Die Zervix befindet sich am unteren Ende der Gebärmutter und ragt in die Vagina hinein. Sie ist das Tor, durch das die Spermien in die Gebärmutter und mit etwas Glück zum Ei gelangen. In der Mitte des Zyklus bildet sich hier der Zervixschleim, der damit auch die fruchtbaren Tage anzeigt. Hormonelle Verhütungsmittel sorgen dafür, dass dieser Schleim keine Spermien passieren lässt. Somit ist das Tor verschlossen. Für die meisten Frauen, die nicht durch die Beobachtung ihres Schleims verhüten, ist die Zervix ein unbekannter Körperteil. Da sie so verborgen im Inneren der Vagina liegt, muss sich eine Frau schon gezielt auf die Suche machen. Leider ist aber nun gerade das Innere der Vagina für viele Frauen Sperrgebiet. Und so erhält die Zervix eher Besuch von männlichen Fingern oder Penissen.

Als Lustorgan ist die Zervix noch weniger bekannt. Die Sexologin Bryant ist jedoch überzeugt davon, dass auch hier eine eigene Orgasmusfähigkeit vorhanden sei. Sie spricht in diesem Zusammenhang sogar von großartigen, unermesslichen, unglaublichen Orgasmen und entspannender Befreiung. Zumindest würde ich die Formulierung „Epic Orgasms and carthartic release“ so übersetzen.

Die anatomische Grundlagen

Grundlage dafür bilden demnach drei Hauptnervenstränge, die in dem Gebärmutterhals zusammenlaufen. Dem Vargusnerv kommt dabei die besondere Bedeutung zu, mit der erbsengroßen Zirbeldrüse im Zwischenhirn verbunden zu sein. Und genau diese Drüse steht im Verdacht, ein körpereigenes Halluzinogen namens DMT auszuschütten. Dies ermögliche es unserem Gehirn, neuartige Gedankenstrukturen und Empfindungen zu kreieren, heißt es aus wissenschaftlichen Kreisen. Genau belegt ist dieser Zusammenhang nach meinen Erkenntnissen jedoch noch nicht.

Unterstützung bekommt Bryant von Barry Komisaruk, Neurowissenschaftler an der Rutgers-Universität in New Jersey. Komisaruk ist laut der taz der weltweit führende Zervixforscher. Durch Kernspinstudien habe er nachgewiesen, dass die Zervix das dritte sexuelle Zentrum der Frau sei.

Auf Entdeckungsreise gehen

So, Finger in die Vagina und los geht es? Nein, so einfach gestaltet es sich mit der Suche nach dem Super-Orgasmus offensichtlich nicht. Bei vielen Frauen sei die Empfindungsfähigkeit erst einmal gleich Null, heißt es. Doch durch regelmäßiges Berühren kann dieser Körperteil zum Leben erweckt werden. Dafür liefert Bryant auch gleich einen Onlinekurs. Mit einer 21-Tage-Challenge kann jede Frau ihrer Zervix Lust einhauchen. Mehr als 1000 Frauen sollen daran bereits teilgenommen haben. Ich leider nicht. Somit kann ich nur auf die Erfahrungen einer taz-Autorin zurückgreifen. Diese beschreibt in ihrem Artikel ihre eigenen Erfahrungen mit der Suche nach dem Zervix-Orgasmus. Und es scheint spannend zu sein. Aber auch anstrengend.

Frauen sind Frauen und Männer sind Männer

Wir sehen also wieder einmal, dass es mit der weiblichen Lust nicht so einfach ist. Sie lässt sich nicht lokalisieren und auch nicht auf Knopfdruck reproduzieren. Aber wenn sie kommt, ist sie überwältigend! Ein Teil des Problems mit der Erforschung liegt sicherlich darin, dass trotz aller Feminisierung der Wissenschaft immer noch der männliche Forscherblick auf den weiblichen Körper gerichtet und dieser Körper dabei vor allem auch mit dem männlichen verglichen wird. Neulich las ich, dass die Klitoris nur eine Art rudimentärer Penis sei. Klar, dass sich Frauen bei dieser Betrachtungsweise als defizitär erleben.

Wir stellen nicht die Vielfalt weiblicher Lust in den Mittelpunkt unseres eigenen Erlebens, sondern die klare Strukturiertheit der männlichen. Und dort scheint eines zumindest klar: Dieser Höhepunkt wird am Penis ausgelöst. Allem voran an der empfindlichen Eichel. Dabei ist vielen Menschen gar nicht bewusst, dass es auch anale Orgasmen gibt, die ganz ohne Berührung des männlichen Paradekörperteils stattfinden. Wenn wir unsere Betrachtungsweise verändern und die Lust nicht nur auf eine Stelle beschränken, können auch Männer von der Vielfalt der weiblichen Lust profitieren! Denn wer weiß, was der Vargusnerv bei ihnen auslöst!

Quelle: zeit.de, taz.de & selfcervix.com

Veröffentlicht auf orion.de

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