10 Vermutungen über den Orgasmus: Wahrheit oder Fiktion?

Es ist schon erstaunlich, was den Menschen doch immer wieder Neues zur Sexualität einfällt. Erstaunlich, aufregend und manchmal auch obskur. So wie das hier: Die US-amerikanische Kolumnistin und Sachbuch-Autorin Mary Roach hat bei einem TED Talk zehn teilweise schon sehr ungewöhnliche Fakten zum Orgasmus zusammen getragen. So ungewöhnlich, dass die Überschrift auch lauten könnte: Fakten, von denen sogar eine Sexualpädagogin noch nie gehört hat. Denn das eine oder andere hat mich schon überrascht. ?

1. Masturbieren Föten im Mutterleib?

Wer sich mit Schwangerschaft und Geburt beschäftigt, kennt vielleicht Bücher wie „Ein Kind entsteht“ von Lennart Nilsson und Lars Hamberger mit diesen unglaublich eindrucksvollen Bildern direkt aus dem Mutterleib. In allen Einzelheiten sehen wir das ungeborene Leben. Wir erkennen Hautporen, Fingernägeln und sogar den Gesichtsausdruck. Wir können das Geschlecht nicht nur erkennen, sondern es uns sogar ganz genau ansehen.

Was wir auf den Bildern nicht sehen, ist das, was die ungeborenen Babys anscheinend damit machen. Denn offensichtlich können sie sich schon in dieser frühen Zeit lustvolle Gefühle mithilfe ihres eigenen Körpers verschaffen. Wer will es ihnen verdenken? Es ist bestimmt recht langweilig da in der einsamen Dunkelheit. Wirklich gesehen hat man es aber erst bei männlichen Föten durch den Ultraschall. Und vielleicht sieht es ja auch doch nur danach aus. Wer weiß?

2. Für einen Orgasmus brauchen wir keine Genitalien

Natürlich denken wir bei einem Orgasmus zuerst an unsere erregbarsten Körperstellen wie den Penis oder die Klitoris. Immerhin lernen wir früh, dass Berührungen in diesen Gebieten äußerst lustvolle Gefühle hervorrufen können. Und wir üben uns fleißig darin. Jetzt ist es schwer, sich einen Menschen vorzustellen, der keinen Genitalbereich hat. Irgendetwas ist ja doch immer (noch) da. Menschen mit Rückenmarksverletzungen wie einer Querschnittslähmung jedoch verlieren das Gefühl für die untere Hälfte ihres Körpers. Trotzdem können sie Orgasmen erleben. Denn sie entwickeln laut Roach oberhalb ihrer Verletzung sehr sensible Bereiche, aus denen heraus Orgasmen hervorgerufen werden können.

Ok, so richtig neu ist das jetzt allerdings nicht. Schließlich wissen mittlerweile schon recht viele Menschen, dass Orgasmen auch auf anderen Wegen hervorgerufen werden können. Da brauchen wir ja nur an die nächtlichen Traum-Orgasmen zu denken. Was ich wohl bisher überlesen hatte, war die Frau, die laut des Sexualforschers Kinsey durch das Streicheln ihrer Augenbrauen zum Höhepunkt gelangen konnte. Ich versuche es gleich mal bei mir. Nein, nichts. Schade eigentlich. Auch meine Knie sind in der Hinsicht nicht zu Höchstleistungen bereit.

3. Orgasmus aus dem Jenseits?

„Le petit mort“ – der kleine Tod: So bezeichnen die Franzosen den Orgasmus. Das ist natürlich nur eine Metapher, denn wir leben ja weiter. Es sei denn, es trifft uns just in diesem Moment ein tödliches Unglück. Wenn wir dann hirntot wären, aber unser Körper noch lebt, weil er an Beatmungsgeräte angeschlossen ist, könnten wir noch einen Orgasmus erleben! Was für eine Vorstellung: Geistig bereits im Jenseits, während der Körper im Diesseits noch so schöne Gefühle haben kann. Ob das tatsächlich so ist, weiß man aber gar nicht. Roach hat sich dazu ein Gedankenexperiment überlegt und bei SpezialistInnen nachgefragt, ob dies wohl möglich sei. Ich vermute allerdings, dass es an der Umsetzung hapern wird.

Denn ja, theoretisch können hirntote Menschen einen Orgasmus erleben. Dafür bräuchte es eine Stimulation der sogenannten Sakralwurzel mittels einer Elektrode. Diese Sakralwurzel liegt versteckt Richtung Ischias hinter den Organen des Bauchraumes. Sie verbindet die Nerven der Blase, des Enddarms, der Prostata  und der Gebärmutter. Und das Wichtigste: Sie ist die zentrale Schaltstelle des Orgasmus am Rückenmark. Wird sie mit einer Elektrode stimuliert, löst sie Orgasmen aus. Aber wer will diese Theorie schon beweisen?

4. Samengeruch im weiblichen Speichel?

Theodor van de Velde war Gynäkologe und Autor des 1926 erschienenen und bis heute bekannten Eheratgebers „Die Vollkommene Ehe“. Das Buch steht direkt hinter mir in meinem Bücherregal. Eine aus heutiger Sicht obskure Lektüre. Damals war es als Aufklärungsbuch allerdings bahnbrechend und für viele Menschen der einzige Zugang zu sexuellen Informationen.

Aber zu was für welchen?! Für van de Velde war es völlig normal, wenn der Mann seiner Frau beim Sex Schmerzen zufügte. Dies hatte nichts mit Grausamkeit sondern ausschließlich mit Leidenschaft zu tun. Na denn. Wie gesagt, es war der einzige Zugang zu Informationen und hat die Sexualität und das Miteinander zahlloser Paare geprägt. Im Zusammenhang mit dem Spermageruch des weiblichen Atems gab es immerhin drei Frauen, die ihm davon berichteten, dass ihr Atem bis zu zwei Stunden nach dem Verkehr einen leichten Spermageruch aufwies. Sie selber konnten diesen natürlich nicht wahrnehmen, sehr wohl aber ihre Gatten, die daraufhin direkt noch einmal in Wallung gerieten. Nun könnt Ihr selber überlegen, was Ihr mit dieser Information anfangt. Ausprobieren?

5. Sex hilft gegen Schluckauf

Das ist jetzt nicht so verwunderlich. Schnelles, tiefes Durchatmen, an etwas anderes denken oder auf dem Kopf stehend ein Glas Wasser trinken – das alles sind ja bewährte Hausmittel. Und was machen wir beim Sex?

  • Wir atmen schwer.
  • Wir denken mit ziemlicher Sicherheit nicht an den Schluckauf.
  • Und wir nehmen manchmal auch sehr ungewöhnliche Körperhaltungen ein.

Da haben wir sozusagen alles auf einmal. Wie sollte sich da ein Schluckauf halten?

Natürlich gibt es auch hierzu eine lustige Geschichte. 1999 kämpfte ein israelischer Mann tagelang mit seinem Schluckauf, der erst beim Sex mit seiner Frau verschwand. Der Mann berichtete seinem Arzt davon. Und der begeisterte Arzt erstellte daraus eine Studie, die er in einem kanadischen Fachblatt unter der Überschrift „Geschlechtsverkehr als potentielle Behandlung bei hartnäckigem Schluckauf“. Tja, auch so können Studien entstehen. Sehr schön auch, dass er vorschlägt, Schluckauf-Singles könnten es mit Masturbation versuchen.

Nun wisst Ihr, was Ihr beim nächsten Schluckauf machen könnt, ob als Single oder Teil einer Beziehung.

6. Orgasmen für die Fruchtbarkeit

Hier gräbt Roach wiederum ein wenig in der Geschichte: Der Leibarzt der österreichischen Kaiserin Maria Theresia empfahl dieser, der kaiserlichen Vulva vor dem Verkehr mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Er verschrieb damit sozusagen ein Vorspiel. Im Prinzip eine ganz hervorragende Idee. Aber was war daran das Bemerkenswerte?

Anfang des 20. Jahrhunderts fristete der weibliche Orgasmus noch ein Schattendasein. Dennoch waren viele Gynäkologen fest davon überzeugt, dass die Kontraktionen während des weiblichen Orgasmus, also das rhythmische An- und Entspannen einen besonderen Zweck hatten. Sie gingen davon aus, dass auf diese Weise die Spermien in die Gebärmutter gezogen werden sollten, um dadurch die Befruchtung der Eizelle sicher zu stellen oder sogar zu beschleunigen. Das ist die Aufsaug (Suck-Up) – Theorie. Und die besagte Kaiserin hatte wohl tatsächlich Probleme mit der Fruchtbarkeit. Oder ihr Gatte, das weiß man natürlich nicht. Ein ärztlich verordneter Orgasmus sollte da ein wenig nachhelfen.

7. Lust in der Schweinezucht

Auch in der Tierwelt scheint sich die Suck-Up-Theorie zu bewähren. Dänische weibliche Schweine werden während der Besamung sexuell stimuliert. Nicht vom Eber allerdings sondern vom Bauern. Dies steigert die Geburtenrate in der Ferkelproduktion laut dem dänischen Nationalkomitee für Schweineproduktion um sechs Prozent. Da sich Menschen und Schweine physiologisch ähneln sollen, kann es ja durchaus sein, dass die Spermien auf diese Weise schneller oder besser zum Ziel kommen. Lust sorgt also für mehr Ferkel.

Es sieht schon sehr lustig aus, was ein Bauer mit dem Schwein anstellen muss, damit dieses womöglich denkt, ein Eber sei am Werke. Wer sich darüber etwas genauer informieren möchte, sei herzlich dazu eingeladen, sich den Vortrag von Roach anzusehen. Denn dort präsentiert sie auch ein Video, das den Züchtern genau erklärt, wie sie ihre Ferkelproduktion erregen, Verzeihung, anregen können.

8. Tiere haben mehr Spaß als wir denken

Es gibt noch eine Steigerung des schweinischen Vergnügens, denn der Besamungsschlauch kann mit einem zusätzlichen Vibrator versehen werden. Dieser stimuliert dann auch gleich die beim Schwein innenliegende Klitoris. Das allerdings wurde den Bauern so nicht mitgeteilt, aus dem einfachen Grund, sie nicht noch mehr zu verstören. Einen Eber nachzuahmen, ist schon merkwürdig genug. Das kann man sich vielleicht noch sachlich erklären. Aber ein Schwein bewusst zu stimulieren, ist doch noch etwas anderes.

Ob die Schweine diese Behandlung mögen oder aber als übergriffig erleben, wissen wir nicht. Tiere zeigen ihre Gefühle anders als wir Menschen. Da müssen wir nur an den Gebrauch von Ohren und Ruten bei unseren heißgeliebten Vierbeinern denken.

Primaten allerdings agieren eher wie wir Menschen und zeigen Gefühle über ihre Gesichter. Und siehe da, Orgasmus-ähnliche Gesichtsausdrücke fanden sich tatsächlich bei weiblichen Makaken, einer Affenart, die in Asien beheimatet ist. Allerdings scheint dieses Vergnügen nur bei derartigen Spielchen unter weiblichen Affen stattzufinden. Was soll uns das nun sagen? Wahre Orgasmen finden sich nur unter Frauen?

9. Dank Kamera ganz nah dabei

„Get up I feel like being a sexmachine“ ist wohl DER Klassiker von Funklegende James Brown. Ob er dabei wohl auch an die künstliche Sexmaschine von Masters und Johnson gedacht hat? Wer die Serie Masters of Sex kennt oder sich aus wissenschaftlichem Interesse mit den Forschungen der Sexologen William H. Masters und Virginia E. Johnson befasst hat, kennt die Koitus-Maschine schon. Ein Acryl-Phallus mit Kamera und Motor, der spannende Einsichten gewährt. Denn er filmt, was genau im weiblichen Körper während des Orgasmus vor sich geht. So etwas wünscht sich so mancher Liebhaber, der beim Sex am Liebsten tief in das Innere seiner Partnerin kriechen möchte. Bei dieser Versuchsanleitung ist das sozusagen möglich. Hobbybastler also los.

10. Wer kann am Weitesten?

Weitpinkel-Wettbewerbe kennen nicht nur Jungs. Auch Mädchen lassen sich zuweilen dazu hinreißen. Zumindest war das früher einmal so. Herausfinden, wer am Weitesten ejakulieren kann, ist allerdings eindeutig eine Männerangelegenheit. Der Sexologe Alfred Kinsey wollte es nun ganz genau wissen. Denn es ging in den 1940ern das Vorurteil um, dass die Geschwindigkeit, mit der das Spermium auf die Gebärmutter trifft, für den Erfolg verantwortlich sei. 300 Männer nahmen an seiner Studie teil. Ups, bei dreivierteln seiner Probanden quoll das Sperma nur heraus! Es wurde gar nicht herausgeschleudert! Der Rekordhalter allerdings kam auf fast 2,50 Meter. Und jetzt kommst du.

Veröffentlicht auf orion.de

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