Neulich ist mir beim Sport etwas Wunderbares passiert. Ich war bei der Wassergymnastik. Ja nee, das ist kein gemütliches Herumgehüpfe. Das ist nur ein Vorurteil. Zumindest in den Abendkursen… An dem Abend war dort ein Trainer, der nicht nur sehr sympathisch war. Nein, dieser Mann hatte auch jede Menge Humor. „Waaas, ihr wollt euch nicht so anstrengen? Das hier ist ein Fiiiiiiiitnescenter!“ Er rollte mit den Augen und heizte uns immer wieder an. Und das machte Spaß. Also hielten wir uns ran und sprangen, was das Zeug hielt. Die Arme ganz gerade hochgereckt in die Luft, der Körper kerzengerade und die Beine hinten hoch.
Ich hatte die ganze Zeit eine Strophe von Rage Against The Machine im Kopf: „Fuck you, I won’t do what you tell me – Fuck you I won’t do what you tell me“. Kennt Ihr das? Dazu springen die jungen Kerle auf der Tanzfläche auch immer genau so hoch wie ich an jenem Abend im Wasserbecken. Nur springen die nicht im Wasser, was ungleich anstrengender ist. Ich weiß das, denn ich habe das ausprobiert. Und es geht nicht. Zumindest nicht bei mir.
Naja, also ich sprang da so hoch. Und das war auch anstrengend. Und dann noch eine Runde. Und noch eine Runde. An Sex habe ich dabei nun wirklich nicht gedacht. Auf einmal- und jetzt kommt es – hatte ich dieses ganz besondere Gefühl im Unterleib. Wäre ich noch eine halbe Stunde weitergesprungen, hätte ich inmitten der anderen Springenden wahrscheinlich einen Orgasmus bekommen. Bedauerlicherweise bestand darauf keine Chance, denn ich hätte niemals so lange durchgehalten. Vielleicht probiere ich es noch einmal mit einer anderen Sportart. Davon schein es für diesen Zweck auch genügend zu geben.
Eine Menge Frauen berichten von ähnlichen Erfahrungen und sogar davon, beim Sport tatsächlich zum Höhepunkt gekommen zu sein. Das passiert allerdings nicht einmal eben so, wir müssen uns dafür schon sehr anstrengen. Chapeau, wer das schafft. Aber es geht. Was ich da erlebt habe, ist somit keine neue oder gar revolutionäre Entdeckung. Viele Frauen erinnern sich daran, dass sie als Kind in der Turnhalle besonders gern an den deckenhohen Seilen emporgeklettert sind. Denn auch da stellte sich dieses herrliche Gefühl ein. Nur konnten wir es in dem Alter noch nicht benennen.
Schon gar nicht hatten wir von dem Begriff Coregasm gehört. Denn als solcher wird diese sportliche Variante des Höhepunktes heute bezeichnet. Eine Frau erzählte mir neulich begeistert davon, wie sie als junges Mädchen wegen eben genau dieses Gefühls das Treppengelände im Elternhaus wieder und wieder heruntergerutscht sei. So ausgiebig, dass sich irgendwann das Gelände aus den Angeln löste. Ups…. Ihr könnt Euch sicherlich auch noch an die eine oder andere Begebenheit erinnern. Warum sollte das im Erwachsenenalter anders sein?
Die Universität von Indiana nahm sich dieses Falles an und befragte 370 Frauen zwischen 18 und 63 Jahren zu dem Thema. 124 Frauen hatten schon einmal einen Höhepunkt beim Sport und 246 Frauen schöne Gefühle ohne die sexuelle Erregung. Es ist schön, diese Zahlen einmal vor Augen zu haben. In dem Artikel, in dem ich von der Studie gelesen habe, heißt es nun allerdings, dass hier „anders als beim vaginalen und klitoralen Orgasmus“ keine Erregung notwendig sei. Autsch. Immer diese Unterscheidung zwischen vaginal und klitoral.
Das ganze weibliche Geschlecht ist eine Einheit, physiologisch als auch emotional betrachtet. Das lassen wir also schon einmal weg. Und dass für einen weiblichen Orgasmus Erregung unabdingbar ist, stimmt auch nicht. Frauen können bei der richtigen Stimulation auch ohne Erregung kommen. Allerdings ist dabei, wie auch beim Treppenrutschen, die direkte Stimulation der Genitalien erforderlich. Und wenn es in der unteren Körperhälfte schön ist, kann das im Kopf auch durchaus Erregung auslösen.
Eigentlich liegt die Lösung ganz nah. Und dafür brauchen wir auch gar nicht lange zu forschen und zu untersuchen. Offiziell entdeckt hat diesen sportlichen Höhepunkt der Sexualforscher Alfred Kinsey. Und 1953 gab es in der prüden westlichen Welt so einiges zu entdecken:
Kinsey hat damals schon geschrieben, dass die Herbeiführung von Muskel- und Nervenspannungen ebenso wirksam sein kann wie eine direkte Stimulation der Genitalien. Denn „sexuelle Reaktionen umfassen ein ganzes Syndrom physiologischer Reaktionen“. Damit hatte er vollkommen Recht.
Alle, die sich im archaischen Modus selber befriedigen, kennen das. Mit großer Anspannung werden die Schenkel zusammengepresst und der ganze Beckenboden angespannt. Dabei bevorzugen die einen die Bauchlage und die anderen den Bürostuhl. Das Ergebnis ist dasselbe. Auch beim Sex mit der Partnerin oder dem Partner werden ebendiese Anspannungen eingesetzt, um die sexuelle Energie zu bündeln.
Wer sich also fragt, woher dieser scheinbar ungewöhnliche Coregasm kommt, braucht sich nur einmal in diesen Modus zu begeben. Er oder sie wird feststellen, dass bei bestimmten Sportarten wie Bankdrücken, Yoga oder Tennis dieselben Beckenbodenmuskeln angespannt werden. Und wer weiß, vielleicht werden demnächst Hanteln für genau diesen Zweck als Sextoys angeboten.
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