Zu spät kommen – Gar nicht so schön, wie man denkt

Bist Du schon gekommen? Kommst Du? Kommst Du noch? Zu früh, genau richtig, zu spät. Oder gar nicht. Wenn es um das Kommen geht, denkt man bei Männern meistens an das zu frühe Kommen. Der Leidensdruck ist hier enorm, sobald partnerschaftliche Sexualität stattfindet. Denn es ist ganz schön peinlich, zum Höhepunkt gekommen zu sein – ohne eigentlich zum Zuge gekommen zu sein. Und Frauen empfinden das zuweilen auch noch als ganz schön egoistisch. Das kommt dann noch on Top. Aber für dieses Problem gibt es mittlerweile eine Lobby.

Es ist allgemein bekannt und wer darunter leidet, kann sich Hilfe suchen. Für Beratungsangebote wird heute öffentlich Werbung geschaltet. Wer allerdings zu spät oder gar nicht kommt, hat es noch etwas schwerer. Denn im ersten Moment könnte man denken, das sei doch viel besser als zu frühes Kommen. Zumindest ist das die Antwort, die ich oft erhalte, wenn ich dieses Thema anspreche. Schließlich brauchen Frauen ja meist auch länger bis zu ihrem Orgasmus. Und sicherlich ist es auch gut, wenn ein Mann lange kann. Aber zu lange oder gar nicht, das ist ebenfalls ein Problem, über das gesprochen werden sollte.

Wenn die Lust zur Qual wird

Ejaculatio retarda ist der Fachbegriff für einen verzögerten oder ausbleibenden Samenerguss. Mit 3 bis 8% Prävalenz ist er eine eher seltene Sexualstörung. Ich erinnere mich noch genau an meine eigenen Erfahrungen mit dem Thema. Mitten im Studium hatte ich eine Zeitlang diesen wahnsinnig aufregenden Freund. Als wir uns kennen lernten, hatte es sofort gefunkt und auch der Sex war richtig gut. Ziemlich schnell stellte ich allerdings fest, dass er sehr lange brauchte, um zu kommen. Es dauerte und dauerte und dauerte und dauerte. Was für ein Glück, war ich doch angehende Sexologin. Die Lösung lag also sozusagen direkt neben ihm im Bett. Und zufällig saß ich auch noch genau zu dieser Zeit in den Vorlesungen zu sexuellen Funktionsstörungen.

Ich kann nur sagen, wenn etwas wirklich lusttötend ist, dann das: Eine ambitionierte Sexologin mit einem Problemfall im Bett. Mir nahm es die Lust, weil ich irgendwann nicht mehr konnte. So ein endloser Geschlechtsverkehr kann ganz schön kräftezehrend sein, wenn aus Leidenschaft Pflichterfüllung wird. Und mein Freund war so mit sich und seiner Erregung beschäftigt, dass ich mir mittendrin überflüssig vorkam. Ihm hingegen nahm es die Lust, weil ich dauernd darauf herumritt und Grund und Lösung für ein Problem suchte, das er bis dahin noch gar nicht wahrgenommen hatte. Naja, lange hielt die Sache nicht.

Mitgenommen habe ich aus meiner Erfahrung zweierlei: Erstens habe ich gelernt, den Job vor der Schlafzimmertür zu lassen. Und zweitens weiß ich, wie es sich für eine Frau anfühlt, wenn ein Mann nicht kommen kann bzw. sehr lange braucht. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Lust verschwindet, weil man sich mitten im Akt nur noch wie ein Gebrauchsgegenstand auf dem Weg zur Vollendung fühlt. Dabei ist das nur das eigene Gefühl. Denn die Wahrnehmung des Partners kann eine ganz andere sein. Zum einen ist es möglich, dass er das Problem gar nicht sieht. Und zum anderen ist er vielleicht so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass das Drumherum zum Nebenschauplatz wird und er gar nicht merkt, wie es seiner Partnerin damit geht.

Umsteigen hilft

Was bei meinem damaligen Freund dahinter steckte, habe ich natürlich nicht herausgefunden. Dafür war ich viel zu dicht dran. Die Ursachen für eine Ejaculatio retarda können wie bei den meisten sexuellen Funktionsstörungen sowohl physischer als auch psychischer Natur sein. Oder beides zusammen. Medikamente oder Alkohol können ebenfalls Auslöser sein. Das sollte mit einem Sexualmediziner abgeklärt werden. Und es gibt zwei Formen: Den generellen Typus, bei dem ein Mann weder bei der Selbstbefriedigung noch beim Geschlechtsverkehr kommen kann. Beim situativen Typus hingegen kann ein Mann unter Umständen bei Selbstbefriedigung oder Oralverkehr kommen, nicht aber beim Geschlechtsverkehr.

Was kann man konkret tun, wenn die Lust zur Qual wird? Einem Mann, der verzögert oder gar nicht kommen kann, gelingt es nicht, seine Erregung ab einem bestimmten Punkt zu steigern. Daran ist niemand schuld, weder er noch die Partnerin. Es ist einfach so. Die beste Möglichkeit ist dann, mit dem Geschlechtsverkehr aufzuhören, sobald einer von beiden merkt, dass hier nicht weitergeht. Vielen Männern hilft es, dann auf eine andere Form der Befriedigung wie Masturbation oder Oralverkehr umzusteigen.

Eine andere Möglichkeit ist es, die Erregung beim Vorspiel bereits so weit zu steigern, dass man erst kurz vor dem Höhepunkt in die Frau eindringt. Aber auch hier gilt: Immer auf die eigenen Bedürfnisse achten! Ein Orgasmus ist bei weitem nicht so wichtig wie die emotionale Befriedigung, die sich bei einem harmonischen Liebesleben einstellt. Und der Orgasmus ist nicht das Maß aller Dinge! Er ist wunderbar und sicherlich auch das i-Tüpfelchen. Wenn er aber nur durch Mühen und Qualen erreicht wird, sollte man sich vor Augen führen, das es noch so vieles andere gibt, das das Zusammensein so wunderbar macht. Und das sollten wir niemals vergessen!

 

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