Der letzte Gigolo – Die charmante Welt der Illusion

Was macht man, wenn man wohlhabend an Jahren und an Geld ist und ein bisschen Spaß haben will? Jawohl, man spielt Golf. Das ist ja das gängige Klischee. Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, das Geld mit Vergnügen unter die Leute zu bringen. Man bucht eine Kreuzfahrt. Und damit sich allein reisende Damen auch an männlicher Gesellschaft erfreuen können, bietet so manche Reederei ihren Gästen sogenannte Gentleman Hosts, auch Eintänzer genannt, an. Im Gegensatz zum ursprünglichen Gigolo, der durchaus sexuelle Affären mit älteren Damen unterhält, sind diese rein auf das Gentleman-Sein eingeschworen und beschränken sich bei ihren Diensten auf Galanterie, Komplimente und Unterhaltung. Affären sind ihnen sogar ausdrücklich verboten. Ab dem 29.01.2015 läuft ein Dokumentarfilm über diesen ganz besonderen Berufsstand in den deutschen Kinos. „Der letzte Gigolo“ zeigt auf unterhaltsame und einfühlsame Weise, wie beide Seiten mit dieser Art der Einsamkeit/Zweisamkeit umgehen.

Wie der schwule beste Freund, den jede Frau gern hätte

Vertraglich verbotener Sex. Schade eigentlich. So manche Dame würde sich sicherlich auch etwas mehr wünschen, träumt von der intimen Begegnung, von einer heißen Umarmung, von einer wunderbaren Liebesnacht. Aber nur mit dem öffentlichen Verbot kann das Ganze funktionieren. Denn so weiß jeder auf dem Schiff Bescheid, dass da definitiv nichts läuft. Nur so können die Damen sich dem Vergnügen hingeben. Keine Furcht um den guten Ruf. Nur ein Tänzchen, ein anregendes Gespräch, eine Begleitung zum Landausflug.

Ein Mann, der vertraulich ist, der das Selbstbewusstsein stärkt, einer Frau das Gefühl gibt, begehrenswert zu sein. Wie der schwule beste Freund, den viele Frauen so sehr an ihrer Seite lieben. Ein Mann, mit dem man lachen und manchmal auch flirten kann, ohne sich über weitere Konsequenzen Gedanken machen zu müssen. Der Gigolo auf dem Kreuzfahrtschiff ist für den Moment der perfekte Mann, bleibt aber am Ende eine Illusion. Nur was sollte falsch daran sein? Warum sollen sich die Damen nicht so wunderbar begehrenswert und attraktiv fühlen? Geben wir uns nicht alle von Zeit zu Zeit einer Illusion hin?

Die Macht der Illusion

Nehmen wir einmal die Flirtapp Tinder. Wie viele User sie genau hat, gibt das Unternehmen nicht preis. Aber man trifft ja kaum noch jemanden, der nicht weiß, wie sie funktioniert. Und wer sie hat, guckt im Schnitt 11x am Tag nach, ob es jemand Neues in der Nähe gibt. Wenn zwei User sich gegenseitig ein Okay geben, gibt es ein Match. Und jedes Match steigert das Selbstbewusstsein. Immerhin ist da jemand, dem man zu gefallen scheint. Guckt man etwas genauer hin, stellt man fest, dass trotz Match oft keine Antwort auf die Kontaktanfrage kommt. Egal. Das nächste Match kommt bestimmt. Ich kenne Leute, die sich fast nie treffen, zu groß ist die Gefahr, der andere könnte sich als Enttäuschung erweisen. Lieber schreiben und immer neue Matches suchen. Das ist der Kick. Und eine Illusion, die das Gefühl hinterlässt, attraktiv und interessant zu sein.

Wenn der Schein besser ist als die Realität

Der Sex ist hier wie da nicht das Wesentliche. Ganz im Gegenteil könnte der One Night Stand sogar sehr ernüchternd sein und dann ist es aus mit der Romantik und den schönen Gefühlen. Mir gefällt die Idee mit den engagierten Gigolos. Noch bin ich zu jung für diese Art der Reise. Meine Verabredung fürs Kino steht jedenfalls. Und wenn ich das nächste Mal der Queen Mary beim Ein- oder Auslaufen im Hamburger Hafen zuwinke, denke ich an die glücklichen Single-Damen mit ihren Eintänzern.

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