Shades of Grey – Ist das wirklich das, was Frauen wollen?

Für Millionen Frauen geht ein Traum in Erfüllung: Fifty Shades of Grey, das moderne Märchen vom Aschenputtel, kommt in die Kinos. Endlich Schluss mit den vielen Spekulationen um die Hauptdarsteller, endlich die große Erotik auf der Leinwand. Die filmgewordene Fantasie von Unterwerfung und Hingabe. Das Buch wurde ja fast ausschließlich von Frauen gelesen. Wie wirkt sich das wohl auf das Kinopublikum aus? Sehen sich auch Männer den Film an? Immerhin ist der Druck enorm. Anscheinend träumen Frauen davon, erobert, verführt, genommen, besessen zu werden. Ich selbst habe auch schon als Teenager historische Liebesromane verschlungen. Der stets erfahrene und wahnsinnig männliche Kerl erobert und verführt rücksichtslos die kultivierte unschuldige Frau. Und NATÜRLICH ist die Entjungferung eine einzige Spirale der Lust, der sich beide hingeben, einer Spirale, die sich immer höher schraubt, um dann in einem großartigen Höhepunkt zu enden. Kann ein Mann da mithalten? Soll ein Mann da überhaupt mithalten? Worum geht es eigentlich wirklich? Was ist der Reiz an dieser Geschichte? Ein Versuch, das Phänomen zu erklären.

Männer, begehrt uns, erobert uns!

Seit den 90ern herrscht in deutschen Schlafzimmern die sogenannte Verhandlungsmoral. Die ist politisch korrekt. Männer machen was Frauen machen was Männer machen. Wie du mir so ich dir. Die hart erkämpfte Gleichberechtigung ist damit auch in der Sexualität angekommen. Wer was wann macht, wird ausgehandelt. Kein überraschender Vorstoß in anale Regionen. Was gut ist. Aber auch kein Überfall während des Gemüseschneidens. Oder während des Schreibens. „Äh, Schatz, jetzt nicht, später vielleicht.“ Was nicht immer so gut ist. Denn manchmal wollen wir Frauen tatsächlich einfach nur genommen werden. Wir wollen, dass unser Partner an nichts anderes als an uns und unseren Körper denken kann. Uns auf den Küchentisch wirft und es uns ordentlich besorgt. Kein Gerede, keine Rücksicht. Immerhin zeigt uns das ja schließlich, wie begehrenswert wir sind. Und begehrenswert wollen wir sein, das ist keine Frage. In der Fantasie funktioniert das auch ganz wunderbar, in der Realität sieht das allerdings anders aus.

„Schatz, nicht JETZT! Es geht gerade nicht. Ich schreibe an einem Artikel über Shades of Grey. Wieso siehst du das denn nicht?“ Ja, wieso können Männer einfach nicht sehen, wann uns gerade danach ist und wann nicht? Aber wie sollen sie das denn? Sie können ja keine Gedanken lesen, was mir ehrlich gesagt auch ganz recht ist. Und über eine eindeutige Erektion, die Hinweise geben könnte, verfügen wir auch nicht. Da ist es doch nachvollziehbar, dass sich so mancher Mann lieber zurückhält, bevor er abgewiesen wird. Und lieber wartet, bis wir eindeutige Signale geben. Das sexuelle Selbstbewusstsein wird mit solchen Abweisungen nicht gerade gestreichelt. Bei Ally McBeal gibt es dazu eine wunderbare Szene. Er hat gelesen, dass Frauen gern mal einen Klaps auf den Po mögen und möchte ihr den Gefallen tun, nimmt ihre Haarbürste, klapst damit recht vorsichtig auf ihren wohlgeformten Po – und was passiert? Sie ist dermaßen erbost über diese Dreistigkeit, dass sie überlegt, ihn wegen Misshandlung anzuzeigen. Das ist vielleicht etwas überzogen, zeigt aber sehr schön, wie falsch Signale interpretiert werden können und welche Reaktionen das hervorrufen kann. Sie empört, er verunsichert.

Die Macht der Fantasie

Da kommt dann dieses Buch, dieser Film ins Spiel. Die Realität wird ausgehebelt. In der Fantasie ist alles möglich. In der Fantasie sind wir Frauen so unwiderstehlich und begehrenswert, dass wir jeden Mann um den Verstand bringen. Und natürlich machen die auch nur das, was wir wollen. Denken wir nur an den heißen Paketboten, von dem so manche Frau in ihrer Fantasie träumt. Er ist ihr völlig ausgeliefert, während sie ihn in das Schlafzimmer zieht. Und dann erst die Gangbang-Fantasien! Gleich ein ganzer Haufen testosterongesteuerter Männer macht sich über eine wehrlose Frau her und bedient sich ihres Körpers. Mir wird ganz heiß.

Und was ist mit Christian Gray? Vertraglich wird geregelt, dass er über sie herfallen darf, wann immer er das Verlangen danach verspürt. Wie begehrenswert muss diese Frau sich fühlen? Das will ich auch! „Man, nicht JETZT! Geh weg und lass mich endlich in Ruhe, ich habe immer noch keine Zeit! Nimm die Finger weg! Ich schreibe!“ Oh man, immer diese Unterbrechungen. Nicht zum Aushalten. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wie toll, sich so begehrt zu fühlen! 24 Stunden am Tag in der Bereitschaft, sich hinzugeben. Wow.

Also, Männer, das, was da in dem Film passiert, heizt wirklich unsere Fantasie an. Und zwar ganz gewaltig. Sicherlich könnte jedes Schlafzimmer mit Augenbinden und Handschellen ausgestattet und jeder Mann von Zeit zu Zeit der Krieger sein, der seine Gespielin überfällt und ins Schlafzimmer zerrt. Aber kommt jetzt bloß nicht auf die Idee, die Garage zur SM-Höhle umzubauen. Die wenigsten Frauen träumen von wirklichem SM-Sex mit echtem Schmerz. Wir wollen einfach nur von Zeit zu Zeit die Kontrolle abgeben, uns euren Verführungskünsten hingeben und ganz Frau sein. Wir wollen die Lust spüren, die ihr in uns auslöst. Und ja, das könnt ihr auch!

„So, endlich fertig. Schatz, JETZT kannst kommen und über mich herfallen! Nimm mich!!!“

Veröffentlicht auf https://www.orion.de/blog/shades-of-grey-die-lust-an-der-unterwerfung/

 

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