Was für ein schöner Tod: Mitten im besten Sex einfach den Löffel abgeben – von dieser Todesart träumen viele. Also, wenn man denn schon sterben muss. Ist doch viel besser als einsam im Bett oder blutig nach einem Autounfall. Zumindest, wenn die Geliebte nicht gerade ein Seitensprung ist und die langjährige Lebensgefährtin dadurch für den Rest ihres Daseins gekränkt und verletzt vor sich hin vegetiert. Moment mal, wieso gehe ich eigentlich davon aus, dass es ein Mann ist, der hier im lustvollsten Moment von der Bühne des Lebens abtritt? Ach ja, weil Männer im Verhältnis 3:1 viel häufiger einen Herzinfarkt erleiden als Frauen. Und weil mir das Bild des älteren Mannes, der plötzlich keucht und vornüber auf die junge nackte Gespielin fällt, aus Filmszenen auch vertrauter ist. In welchem Film habe ich denn das bloß nochmal gesehen? Das fällt mir gerade nicht ein, vielleicht einem oder einer von euch. Aber ist es tatsächlich so, dass Sex das Risiko eines Herzinfarkts steigert?
Nein. Keine Sorge. Die Wahrscheinlichkeit, durch Sex einen Herzinfarkt zu erleiden, ist ziemlich gering. Und gesunde Männer müssen sich schon gar keine Gedanken machen. „Blutdruck und Puls steigen wie unter Ausdauersport, der bekanntlich als gesündeste Bewegungsform gilt“, betont Sexualwissenschaftler Kurt Seikowski. Sex statt Joggen, das gefällt mir. Wenn es um die Sorge des Herzinfarkts geht, sind vor allem diejenigen gemeint, die bereits einen solchen erlitten haben. Allzu lange herrschte das Vorurteil vor, nach einem Infarkt besser auf Sex zu verzichten, um sich keinem weiteren Risiko auszusetzen.
Laut einer Studie, die jetzt im „Journal of the American College of Cardiology“ erschienen ist, steigert sexuelle Aktivität das Herzinfarktrisiko aber gar nicht. Nur hält sich ein Vorurteil eben so lange, wie nicht darüber gesprochen wird. Und laut einer Studie der Universität Chicago haben nur 12% der Frauen und 19% der Männer mit ihrem Arzt über sexuelle Aktivitäten gesprochen. Wenn das Thema überhaupt angeschnitten wurde, dann kam die Empfehlung, es langsam anzugehen und eher die passive Rolle einzunehmen. Ganz ehrlich, wie soll Sex Spaß machen, wenn man die ganze Zeit auf die Herzfrequenz achten muss? Ganz im Gegenteil also sollten Ärzte ihren Patienten mitteilen, dass körperliche und damit eben auch sexuelle Aktivitäten okay sind, so die Studienautorin Professorin Stacey Tessler Lindau. Denn dadurch werden Ängste abgebaut und auch das ist herzschonend.
Wenn wir das Ganze aber andersherum betrachten, dann sind Erektionsstörungen bei älteren Männern möglicherweise eine Art Frühwarnsystem für einen drohenden Herzinfarkt. Erektionsprobleme können also ein Anzeichen für eine Herzerkrankung sein.
Sex ist also gesund – Daumen hoch für die Lust. Und deshalb gibt es auch ärztliche Empfehlungen für Stellungen, die den Sex leichter machen, wenn man körperlich beeinträchtigt ist. Das ist ja schön und gut. Wer mich kennt, weiß, dass ich jetzt wieder den Zeigefinger erhebe: Sex ist doch viel mehr als Geschlechtsverkehr!!! Denn nicht der ist es, der die Lebensqualität steigert und den Menschen glücklich macht. Es ist der intime Kontakt mit dem Menschen, den wir lieben. Es ist unser Bedürfnis nach Akzeptanz, Nähe und Geborgenheit, das durch die Nähe gestillt wird. Gerade auch bei älteren Menschen, bei denen der Koitus im Laufe des Alterns immer weiter an die Peripherie der Lust rückt. Zärtlichkeit und das von mir so favorisierte Vorspiel machen viel glücklicher! Und dann ist auch die Sorge um die männliche Standhaftigkeit nicht mehr so beherrschend.
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