Schmerzen beim Sex werden als Dyspareunie bezeichnet und betreffen Männer wie Frauen. In diesem Beitrag möchte ich mich jedoch auf die Frauen beschränken. Diese Art von Schmerz ist eindeutig unangenehm. Sehr unangenehm sogar. Aber das kann tatsächlich einmal vorkommen und manchmal ist der Grund dafür auch gut nachvollziehbar. Bei einer Blasenentzündung, heftigem Sex oder einer ungünstigen Stellung mit starkem Druck auf den Muttermund beispielsweise. Es kommt aber leider häufiger vor, dass die Schmerzen viel länger andauern und wir keine konkrete Ursache dafür ausmachen können. Auch der Gang zum Arzt oder zur Ärztin führt nicht immer zur Lösung. Wie viele Frauen unter diesem Problem leiden, ist unklar. Es ist letztendlich eine Sache der Definition.
Auf die Frage „Hatten Sie jemals Schmerzen beim Sex?“ dürften wesentlich mehr Frauen mit einem klaren „Ja“ antworten als auf die Frage nach dauerhaften Schmerzen. Und so finden wir in der Fachliteratur Angaben zwischen einer von hundert bis hin zu jeder vierten Frau. Manchmal lässt sich schnell eine organische Ursache ausmachen. Aber nicht immer stecken körperliche Erkrankungen dahinter. Oder diese entfalten ihre Wirkung zusammen mit fehlender Erregung oder Ängsten. Schließlich sind Körper und Psyche eng miteinander verbunden. Mittlerweile verfügen viele Gynäkolog*innen über eine dahingehende sexualmedizinische Zusatzqualifikation. In der zeitlich eng bemessenen Sprechstunde ist allerdings wenig Zeit, die psychischen Hintergründe oder die Zufriedenheit mit der eigenen Sexualität tiefergehend zu durchleuchten. Und so bleiben die wahren Ursachen oft weiter im Dunkeln. Eine gezielte Sexualberatung kann weiterhelfen, wenn alle organischen Hintergründe abgeklärt sind und sich dort nichts findet.
Das weibliche Genital besteht aus unterschiedlichen Bereichen. Von außen betrachtet sehen wir zuerst die Vulva mit den großen und den kleinen Lippen, die Klitoris und den Harnröhrenausgang. Wenn sich hier eine Entzündung befindet, kann bereits eine leichte Berührung als unangenehm oder schmerzhaft empfunden werden. Ursache dafür können Pilzinfektionen, Feigwarzen oder zu intensive Hygienemaßnahmen sein. Auch Verletzungen des Gewebes infolge von Geburten können dahinterstecken. Von einer Vulvodynie sprechen wir, wenn Frauen ein dauerhaftes Brennen, Stechen oder ein Gefühl von Wundsein auch ganz ohne Berührung verspüren und keine äußeren Ursachen erkennbar sind. Manchmal sind die Schmerzen derartig schlimm, dass sogar das Tragen von Unterwäsche oder das Sitzen auf einem Fahrradsattel unmöglich erscheinen.
Die Ursachen sind vielfältig und können neurologisch, dermatologisch oder allergisch bedingt sein. Manche Experten sprechen auch eher von einer Schmerzstörung, da die Beschwerden dauerhaft sind und nicht nur beim Sex auftreten. Wärme, Kälte, Beckenbodentraining und Entspannungsübungen können helfen. Auch emotionale Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Erleben der eigenen Sexualität können dahinterstecken. Gynäkolog*innen sind zumeist erste Ansprechpartner*innen. Aber nicht alle kennen sich mit diesem speziellen Problem auch aus. Deshalb ist es sinnvoll, nach jemandem mit einer sexualmedizinischen Zusatzqualifikation zu suchen. Der- oder diejenige kann dann gegebenenfalls weitere Maßnahmen einleiten.
Der innere schlauchförmige Bereich des weiblichen Genitals ist die Vagina. Diese ist das Verbindungsstück zwischen Vulva und Gebärmutter. Die Schleimhäute der Vagina sind von Natur aus feucht, aber auch empfindlich. Bei Erregung wird zusätzliche Flüssigkeit abgesondert. Dadurch wird die Scheide noch feuchter und erleichtert das Eindringen des Penis. Wenn das Einführen schmerzhaft ist, kann eine Störung dieser Lubrikation vorliegen. Oder zu langer Sex, wenn die Drüsen mit der Produktion des natürlichen Gleitmittels nicht hinterher kommen. Recht häufige Ursache für die Trockenheit sind mangelnde Erregung oder die Angst vor eben diesen Schmerzen. Auch ein Östrogenmangel kann dahinterstecken, wenn es nicht so richtig flutscht. Gleitmittel und Östrogencremes sorgen auf der rein praktischen Ebene für Abhilfe.
Aber auch ein verlängertes Vorspiel, das der Frau genügend Zeit gibt, die Erregung durch den Körper fließen zu lassen. Natürlich sollte geschaut werden, warum sich die Erregung nicht so recht einstellen will oder wie die Angstspirale durchbrochen werden kann. Womöglich stecken auch Missbrauchserfahrungen oder Depressionen dahinter. Wenn Frauen in die Wechseljahre kommen, können die Scheidenwände durch die verringerte Produktion des weiblichen Sexualhormons atrophieren. Das bedeutet, dass sie ganz einfach dünner werden. Dies erhöht die Verletzungsgefahr bei zu viel Reibung, was es wiederum Krankheitserregern erleichtert, in die Schleimhäute einzudringen. Berührungen, die bis dahin wundervoll waren, können nun unangenehm bis schmerzhaft werden. Hinzu kommt die vielleicht eingeschränkte Lubrikation. Gegen Atrophie helfen lokale hormonelle Therapien.
Im Anschluss an die Vagina finden wir Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke. Durch eine Schwächung des Beckenbodens kann sich die Gebärmutter absenken und damit tiefer im Beckenraum liegen. Dies kann durch eine Geburt bedingt sein und tritt bei zwischen 30 und 50 Prozent aller Frauen auf. Beschwerden können, müssen aber nicht auftreten. Bei einer Scheidensenkung senkt sich, wie der Name schon sagt, die Scheide ab. Dies kann soweit führen, dass die Vagina unten zwischen den Lippen herausschaut, im schlimmsten Fall sogar die Gebärmutter. In dem Fall hilft nur noch eine Operation. Wenn kein Kinderwusch besteht, wird das Organ gleich ganz entfernt. Schon allein deswegen lohnt sich ein gezieltes Beckenbodentraining, um die Bänder und Muskeln, die die Gebärmutter an ihrem Platz halten, zu stärken. Eine hormonelle Therapie kann noch bei einer leichten Gebärmuttersenkung helfen. Dass diese Erkrankungen zu Schmerzen beim Sex führen, ist wohl nachvollziehbar.
Viele Frauen werden auch von Zysten und Myomen geplagt. Zysten sind flüssigkeitsgefüllte Blasen an den Eierstöcken, die je nach Größe und Lage zu verstärkten Regelschmerzen, Unterbauchschmerzen und eben auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen können. Myome wiederum sind gutartige Wucherungen in der Muskelschicht der Gebärmutter. Ca. 70 Prozent aller Frauen zwischen 35 und 55 Jahren sind davon betroffen. Das Wachstum kann durch die Einnahme von Hormonen beeinflusst werden. Myome können Ursache von Blutungsstörungen, Druckgefühlen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sein. Sowohl Zysten als auch Myome sind im Ultraschall gut erkennbar und mehr oder weniger aufwändig behandelbar.
Und auch Operations- und Geburtsnarben, Blasen- und Harnröhrenentzündungen, unbehandelte Pilzinfektionen, Herpes genitalis und auch sexuell übertragbare Infektionen (STI) wie Gonorrhö (Tripper), Chlamydien oder Syphilis können Schmerzen beim Sex verursachen.
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