Roboterliebe in Zeiten zunehmender Vereinsamung

Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es bereits die ersten Sexroboter auf dem Markt. Das hört sich abenteuerlich an. Sex mit einem Roboter? So richtig vorstellen kann ich mir das noch nicht. Ein Roboter als Ersatz für einen echten Menschen? Brauchen wir das wirklich? In Deutschland leben elf Millionen Singles. Nicht wenige davon sind Langzeit-Singles. Es sollte doch möglich sein, dass sich zwei finden, um Sex und Liebe miteinander auszutauschen. Aber wir sind mittlerweile viel zu wählerisch und von dem Angebot regelrecht erschlagen. Immer glauben wir, es ließe sich noch etwas Besseres finden. Damit treten wir allerdings auf der Stelle. Und dann werden Ansprüche an uns gestellt und womöglich müssen wir am Ende auch noch Kompromisse schließen. Auch Sex ist anstrengend, wenn der oder die andere nicht genau die gleichen Vorstellungen hat. Einen Roboter könnte man sich zusammenstellen, ihm die Persönlichkeit geben, die uns am meisten behagt. Er könnte unsere sexuellen Leidenschaften mit uns teilen. Wenn wir die denn so genau wissen. Aber können Roboter uns wirklich glücklich machen? Und geht es dabei immer nur um Sex?

Der Mann im Mittelpunkt der Technik

So neu ist die Idee mit dem Liebesroboter ja nicht. In E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann aus dem Jahr 1816 verliebt sich der Jüngling Nathanael in die konstruierte Puppe Olimpia und sieht in ihr mehr Lebendigkeit als in seiner menschlichen Braut. Dieses Bild Mann verliebt sich in Maschine wurde später immer wieder aufgegriffen.
Und auch die Idee eines Sexroboters ist eindeutig männlich. Männliche Wissenschaftler forschen und entwickeln vor allem weibliche Roboter für männliche Kundschaft.

Lebensechte Puppen in allen Preisklassen

Wir müssen aber gar nicht an zukünftige Roboter denken, um ein Verständnis für dieses Begehren zu bekommen. Schließlich gibt es bereits lebensechte Gummipuppen, die ebenfalls überwiegend von Männern für Männer hergestellt werden und reißenden Absatz finden. Es gibt aufblasbare Gummipuppen für wenige Euro und lebensechte Kunststoffpuppen mit Metallskelett wie die „Real Dolls“ im vierstelligen Bereich. Die hochwertigen Puppen lassen sich nach den eigenen Vorlieben zusammenstellen, eine Wunschpartnerin sozusagen. Mit echten Frauen haben die allerdings nicht mehr viel zu tun.

Puppen als Beziehungsersatz

Wer nun immer gleich an Sex denkt, dem sei gesagt, dass diese Puppen oft viel mehr zu erfüllen haben. Und dafür müssen wir noch nicht einmal nach Japan blicken, ins Land der sexuellen Hightech-Industrie. Auch hierzulande werden wir schnell fündig. Die Fotografin Sandra Hoyn hat einen Mann, der mit seiner Puppe zusammenlebt, im Alltag mit der Kamera begleitet. Wie sie feststellen musste, ging es dabei eben viel weniger um Sex als vielmehr um das Gefühl, nicht allein zu sein. Gegen eine solche Puppe, die ja nicht sprechen kann, erscheint ein Roboter schon fast paradiesisch. Und wenn wir Beziehungen mit Puppen leben können, geht das auch mit Robotern. Viel besser sogar noch. Immer der gleichen Meinung zu sein und dann auch noch Sex haben zu können, wann und wie man will.

Verändern Roboter unser Bild vom Menschen?

Sexualität hat die drei Dimensionen Lust, Beziehung und Fortpflanzung. Ich spinne ein wenig herum. Stellen wir uns vor, wir könnten tatsächlich lebensechte Roboter mit einer künstlichen Intelligenz ausstatten. Wir könnten uns mit ihnen unterhalten, mit ihnen ein Liebes- und Beziehungsleben führen. Wie würde sich das auf unsere Sexualität auswirken? Wie würde das unser Bild vom echten Gegenüber verändern? Die Sozialanthropologin und Expertin für humanoide Roboter, Kathleen Richardson von der De Montfort Universität in Leicester, warnt davor, dass Frauen durch Sexroboter zu reinen Sexobjekten abgewertet würden. Diese Gefahr besteht sicherlich. Aber wenn Roboter eher ein Ersatz für eine echte Partnerschaft sein könnten, sehe ich die Gefahr vielmehr darin, dass wir immer weniger Lust haben werden, uns anzupassen, uns auf andere Menschen einzustellen. Wir könnten unsere Empathiefähigkeit verlieren und zunehmend vereinsamen.

Mit wem werden wir Kinder zeugen?

Was ist mit der Fruchtbarkeit? Dieser letzte Punkt verliert insofern an Bedeutung, als dass wir heute in der Lage sind, Kinder ohne den ursprünglichen körperlichen Akt zu erzeugen. Eine Roboterliebe wäre also kein Hindernis, trotzdem eine eigene Familie zu gründen. Es wäre wohl eher eine ethische Frage, ob Kinder mit einem maschinellen Elternteil aufwachsen sollten. Und die Lust? Kann ein Roboter jemals so weit entwickelt werden, dass wir ihn als vollwertigen Liebespartner verstehen? Ein Roboter kann anscheinend heute schon einen Orgasmus vortäuschen und damit seinem Besitzer suggerieren, gut im Bett zu sein. Zumindest seinem männlichen Besitzer. Was ist mit den Frauen? Und was ist damit, dass der Sex umso großartiger ist, je mehr wir uns begehrt und angenommen fühlen?

Ein Roboter kann niemals echte menschliche Nähe ersetzen

Als großer Fan des Science-Fiction bin ich neugierig, wohin uns die Entwicklung führt. Ich habe keine Probleme damit mir vorzustellen, dass Maschinen uns viel Arbeit abnehmen werden. Das tun sie jetzt schon und die Einsatzbereiche werden immer differenzierter. Und ich kann mir ebenso gut vorstellen, dass sich Menschen in Roboter verlieben. Wir verlieben uns ja ohnehin immer erst einmal in das, was wir im anderen sehen. Sei es Mensch, Tier oder Maschine. Aber diese Liebe wird sehr begrenzt sein. Denn Liebe lebt auch vom Miteinander und am Aneinander-Wachsen. Und wie soll ein Roboter das „Liebesspiel“ beherrschen lernen? Geschlechtsverkehr mit einfachem Rein-Raus und womöglich noch Veränderungen in der Geschwindigkeit. Ok. Aber Nähe, Küsse, Intimität, miteinander lachen? Kann uns ein Roboter die Wärme geben, die wir brauchen?

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht tatsächlich so enden wie Hoffmanns Nathanael und in die Roboter mehr Menschlichkeit hinein interpretieren als in unsere Mitmenschen. Oder umgekehrt unseren Mitmenschen die Lebendigkeit absprechen, sobald sie sich nicht unseren Vorstellungen entsprechend verhalten.

Veröffentlicht auf https://www.orion.de/blog/roboterliebe-in-zeiten-zunehmender-vereinsamung/

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