Wie viel Sex ist normal?

„Wie viel Sex ist in einer Partnerschaft normal?“ Das ist eine Frage, die mir häufiger gestellt wird.

„Fünfmal“ sage ich dann.

„Was genau meinst du, fünfmal am Tag, in der Woche, im Monat oder im Jahr?“ kommt dann meist ungeduldig zurück.

„Das weiß ich nicht, das hängt von euch ab“, antworte ich dann.

Es folgt eine kurze Pause und wir kommen ins Gespräch.

Was normal ist, stellt sich für jedes Paar anders dar. Das einzige, das in der Sexualität wirklich normal ist, ist die Tatsache, dass es kein normal gibt. Das klingt so einfach und ist doch so schwierig. Denn in unserer mediengeprägten und wettbewerbsorientierten Welt vergleichen wir uns allzu oft mit den anderen, gerade auch im Bereich Sexualität. Und das, was wir sehen und lesen, ist dabei auch wieder so unterschiedlich, wie es überhaupt möglich ist: Von immerwährender Lust im Porno bis hin zu sexloser Romantik in den ZDF-Sonntagabendfilmen. Ratgeber propagieren jede Richtung, von der Überbewertung des Sexuellen hin bis zu praktischen Tipps, die neuen Schwung in jedes Liebesleben bringen sollen. Wie also können Paare mit der Frage umgehen, wie viel Sex für sie normal ist?

Vergleichen hilft wenig

Unser Leben und unsere Beziehungen verlaufen in Phasen. Dabei gibt es jeweils Zeiten, in denen Sexualität wichtiger oder nebensächlicher sein kann. Wie oft ein einzelner Mensch Sex mit sich selber hat, ist schon von einer hohen Varianz geprägt. Der eine macht es sich mehrmals am Tag – der andere hat Selbstbefriedigung noch nicht einmal entdeckt. Und während sich die Gedanken in der Pubertät nur schwer auf das Leben im allgemeinen richten lassen, hat der spätere Familienvater womöglich alles andere im Sinn – nur keinen Sex. Manche Menschen verspüren ihr Leben lang wenig bis kaum Lust, während andere über sexuelle Aktivitäten ihre Weiblichkeit oder Männlichkeit definieren. Auch spielt die sexuelle Biografie eine große Rolle bei der Frage, wie wir zur körperlichen Liebe stehen. Menschen mit Missbrauchserfahrungen oder einer besonders lustfeindlichen Erziehung sind meist weit weniger aufgeschlossen. Wir Menschen sind einfach viel zu unterschiedlich, um alle über einen Kamm scheren zu können.

Statistisch gesehen sind wir sowohl am Anfang einer Beziehung als auch in jüngeren Jahren sexuell aktiver. Etwa zehn Mal im Monat schlafen Paare um die 20 miteinander, einmal im Monat Paare um die 70. Bei diesen Zahlen geht es aber nur um den Geschlechtsverkehr. Und so stellt sich sofort die Frage, wie wir Sex definieren. Zählen wir nur den Geschlechtsverkehr oder nehmen wir auch die manuelle und orale Stimulation hinzu? Dann sähen die Zahlen nämlich schon anders aus. Gerade in den Partnerschaften älterer Menschen nehmen andere sexuelle Praktiken und Zärtlichkeit einen hohen Stellenwert ein und lösen den Geschlechtsverkehr in seiner Bedeutung ab. Und so manche Frau hätte vielleicht viel häufiger Sex, würde ihr in einem ausgiebigen Vorspiel Lust bereitet.

Da haben wir auch gleich noch einen weiteren wichtigen Punkt: Während es in der weiblichen Sexualität mehr um die Qualität einer Begegnung geht, sind Männer sehr zahlenmäßig orientiert. Sie sagen „Letzten Monat hatten wir nur dreimal Sex!“ und setzen ihre Partnerinnen bewusst oder unbewusst damit unter Druck. Druck ist der Lustkiller Nummer Eins. Und dabei kann es sein, dass genau diese drei Male für die Partnerin sehr erfüllend waren.

Normal ist, womit ein Paar sich wohlfühlt

Worauf ich hinaus möchte, ist der Blickwinkel, unter dem ein Paar seine Sexualität betrachten sollte. Wir müssen uns davon lösen, eine Formel für richtig/falsch/normal zu finden. Denn die gibt es nicht. Jeder Mensch und jedes Paar hat eine besondere Geschichte und Dynamik. Zeiten mit lustfeindlichem Stress wie Geburten, Todesfällen oder Arbeitslosigkeit wechseln sich ab mit lustvolleren Zeiten. Und so schwankt die Zahl der sexuellen Begegnungen im Verlauf einer Beziehung erheblich. Letztendlich ist es auch nicht wichtig, wie oft oder ob überhaupt ein Paar Sex hat, egal wie man ihn nun definiert. Es geht darum, dass ein Paar mit sich zufrieden und im Austausch ist. Wer geistig und emotional verbunden ist, kann mit allen Phasen gut leben. Dann können fünf Mal in der Woche oder auch im Jahr genau richtig sein.

Veröffentlicht auf idee-fuer-mich.de

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