Warum wir erotische Träume haben

Manche Menschen erinnern sich gar nicht an ihre Träume, andere hingegen könnten nach dem Aufwachen komplexe Drehbücher für die wildesten Abenteuerfilme schreiben. Ich selber gehöre zur zweiten Kategorie. Ich träume sehr viel und kann mich meistens auch gut daran erinnern. Dabei habe ich Träume jeglicher Genres: Abenteuer, Science Fiction, Katastrophen, Autobiografien. Ich treffe Menschen wieder, die ich zum Teil lange nicht gesehen habe oder die sogar schon verstorben sind. Meine Träume sind sehr real und zumeist mit sehr intensiven Gefühlen verbunden. Am Liebsten sind mir deshalb Erotik- und Liebesträume. Kennt Ihr das auch? Heiße Liebesszenen mit Menschen, an die Ihr im Wachsein womöglich keinen Gedanken verschwenden würdet, Orgasmen, die ganz offensichtlich ohne jegliches Zutun nur durch die Gedanken im Traum entstehen?

Sind erotische Träume versteckte Wünsche?

So schön die nächtlichen Gefühle auch sind, so oft fragt sich mancher beim Aufwachen, was wohl dahintersteckt. Will ich WIRKLICH mit dem Nachbarn ins Bett? Und nicht selten kommen sogar Schuldgefühle hoch, schließlich hat man vielleicht den Partner im Schlaf betrogen.

Dahinter steckt die Annahme, dass es in unseren Träumen um ganz konkrete sexuelle Wünsche geht. Träume, Fantasien und tatsächliche Wünsche sind jedoch keinesfalls dasselbe! Wünsche wollen gern befriedigt werden, während wir mit Fantasien oft auch schon im Kopfkino glücklich sind. Auf unsere nächtlichen Träume hingegen haben wir eher wenig Einfluss, es sei denn, wir sind Profis im Klarträumen. Und zuweilen spielen sich da Dinge ab, von denen wir im Wachzustand weit entfernt und die uns womöglich auch noch so richtig peinlich sind. Schon mal erlebt?

Es gibt viele Ratgeber, die sich mit der Traumdeutung beschäftigen und anhand von Symbolen unsere Träume zu deuten versuchen. Eine Schlange stelle demnach beispielsweise ein Phallussymbol dar. Das hier habe ich auf der Seite traumdeuter.ch gefunden: „Sexualität im Traum ist ein natürlicher Versuch, einen Ausgleich zum Wachzustand zu finden, der vielleicht zu stark verstandesmäßig geprägt ist oder zu viel Gewicht hat.“ Könnte bei mir, die ich mich beruflich mit dem Thema Sexualität beschäftige, natürlich der Fall sein. ?

Verarbeitung von Erlebnissen oder nur ein Feuerwerk der Neuronen?

In der Wissenschaft ist es jedoch noch immer umstritten, warum wir überhaupt träumen und was Träume bedeuten.

  1. Die Psychoanalyse geht von verborgenen Wünschen aus. Die könne man allerdings eben nicht eins zu eins übersetzen. Grundlage seien Hoffnungen, Wünsche und Ängste des Einzelnen. Wer also vom Sex mit der oder dem Ex träume, wolle vermutlich nicht wirklich Sex, sondern wünsche sich vielmehr die erlebte Intimität aus dieser Beziehung zurück.
  2. Die Neurobiologen wiederum verstehen Träume als einen rein körperlichen Vorgang auf der Ebene von elektrischer Erregung, dem Zirkulieren von Botschaften und dem Blutfluss in einzelnen
  3. Hirnregionen. Wenn wir genau hinschauen, merken wir, dass sich die Erlebnisse des Tages genauso in unseren Träumen abbilden, wie lange zurückliegende Ereignisse. Das allerdings in sehr fantastischer und oft kaum wiederzuerkennender Form.
  4. Neueste Forschungen haben nun ergeben, dass wir uns im Traum auf eine Zeitreise zurück in die frühe Entwicklungsgeschichte des Menschen begeben. In eine archaische Zeit, die durch Flucht, Töten und Fortpflanzung geprägt war. Also rennen wir, töten, fallen und lieben. Die dabei entstehenden Gefühle werden mit unseren Erlebnissen zu Geschichten verarbeitet. Prickelt es zwischen den Beinen, bastelt unser Gehirn dazu die passende Geschichte. Ob wir die Protagonisten nun gut finden oder nicht. Wir bauen also unsere Erlebnisse passend zu den Gefühlen in die Traumwelt mit ein.

Im letzteren Falle könnte es naheliegend sein, dass sich viel Sex auch auf den Trauminhalt auswirkt. Aber dazu sind wir wieder einmal alle zu verschieden. Wer offen mit seiner Sexualität umgeht und sie lustbetont, nimmt diese Gefühle sicherlich auch mit in die Traumwelt. Und wer sich gerade in einer ausgeprägten sexuellen Phase befindet, vermutlich auch. Anderseits kann der sehnliche Wunsch nach Nähe und Intimität gerade diese nächtlichen lebendigen Gefühle aktivieren. Das ist auch ganz gut so, denn dadurch hat jeder die Chance auf die schlafende Lust.

Orgasmen im Schlaf?

Ein Höhepunkt im Schlaf ist wohl das Highlight der erotischen Träumerei! Oh ja! Und das Tolle ist, dass die, wie schon oben erwähnt, im Kopf stattfinden. Wir brauchen hierbei keine Stimulation oder Berührung unserer Intimzonen. Man kann also kommen, ohne die Hände zu bewegen. Die Orgasmen sind aber durchaus auf der körperlichen Ebene spürbar und äußern sich wie sonst auch durch Muskelkontraktionen, wohliges Stöhnen oder Ejakulationen. Auch Frauen, die allein oder mit dem Partner Schwierigkeiten haben, berichten von unbeschreiblichen und intensiven Gefühlen. Tja, im Traum verschwinden die Ängste, die uns im Wachsein so oft hemmen. Ab ins Bett, kann ich da nur sagen!

Genießen und sich inspirieren lassen

Also, einen Grund für Schuldgefühle dem Partner oder der Partnerin gegenüber gibt es nicht. Und genauso wenig haben die Menschen, mit denen wir es in unseren Träumen treiben, eine reale Bedeutung. Nein, Ihr wollt WIRKLICH keinen Sex mit dem Nachbarn oder der Lehrerin Eurer Kinder. Aber vielleicht wolltet Ihr ja doch immer schon einmal mit Eurem oder Eurer Liebsten das anstellen, was Ihr im Traum erlebt habt. Und womöglich lässt sich das auch in irgendeiner Form umsetzen. Sex mit einem Fremden? In der Inszenierung der Umsetzung können wir uns frei entfalten. Sich genussvoll vor dem Freund auszuziehen, um sich dann selbst zu befriedigen, kann zusammen mit den Gefühlen aus dem Traum zu einem sehr erotischen Erlebnis werden. Intensive Gefühle von Verliebtheit und Intimität können auch dazu führen, dass sich ein eingefleischter Single doch noch einmal auf die Suche nach einem Partner oder einer Partnerin begibt.

Mein Tipp ist es daher, diese Gefühle einfach nur zu genießen und sich gar nicht erst zu fragen, was dahinterstecken könnte. Nutzt die Träume als Inspiration! Und wer Lust hat, sich mit dem Thema Träume ernsthaft zu beschäftigen, dem kann ich das Buch „Träume. Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit“ von Stefan Klein empfehlen. Zwar geht es um erotische Träume nur am Rande. Der Autor beschreibt aber in einem unterhaltsamen Stil die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft. Und gibt eine Anleitung zum Klarträumen.

Veröffentlicht auf orion.de

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