Pornos in die Schule!

Was für eine Überschrift! „Pornos in die Schule!“ Ich weiß gleich, was sich da so mancher erbost vorstellt: Anja Drews ruft dazu auf, in der Schule mit Schülern Pornos zu schauen. Das gibt es doch nicht, wie kann die nur! Die ist doch auch Sexualpädagogin! Puls wieder runter, darum soll es hier gar nicht gehen. Aber je reißerischer eine Überschrift, desto mehr Leser, habe ich gelernt. Und genau darum soll es gehen…

Denn ich finde, dass der Konsum von Pornografie im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen ein ganz wichtiges Thema ist, um das wir heute nicht herumkommen. Wir können das Internet nicht komplett sperren und unsere Kinder und Jugendlichen auf diese Weise vor Pornos schützen. Das Einzige, was wir machen können, ist mit ihnen darüber zu sprechen, ihre Fragen zu beantworten und ihnen dabei zu helfen, den Unterschied zwischen Porno und Realität zu erkennen.

Es gibt (fast) kein Entkommen

Nein, ich bin nun wirklich nicht dafür, tatsächlich und in echt Pornos mit Schülern anzusehen. Das haben wir im Studium getan. Aber da waren wir alle erwachsen und konnten selber entscheiden, ob wir das wollten oder nicht. Jugendliche können genau das viel zu oft nicht selber entscheiden. Und genau das ist auch das Problem.

Heutzutage wird der Nachwuchs bereits im zarten Alter von den Eltern mit der nötigen Technik ausgestattet: Smartphone, Tablett, PC, gern auch schon mit Zugang zum Internet. Am 23.05.2016 kam bei Hart aber fair in der Sendung mit dem Titel: „Immer online – machen Smartphones dumm und krank?“ die Frage auf, ab welchem Alter Kinder ein Smartphone erhalten sollten. Die Meinungen gingen weit auseinander: Ab acht Jahren bis hin zu zwischen sechzehn und achtzehn Jahren. Wie sagte der Moderator so schön bei dem höheren Alter? „Viel Spaß beim Umsetzen.“

Die beste Jugendschutz-Software hilft nicht, wenn sie nicht installiert wird

Wir kommen um die Technik nicht herum, aber wie gehen wir mit ihr um? Es gibt Eltern, die sich mit den Schutzmöglichkeiten auskennen. Sie sperren bestimmte Wörter oder installieren eine Jugendschutz-Software. Es gibt spezielle Medienbeauftragte, die sich genau damit auseinandersetzen und dafür sorgen, dass es für bestimmte Altersgruppen die jeweils passenden Schutzprogramme gibt. Aber dazu müssen sich die Eltern mit der Thematik auch auseinandersetzen.

Leider gibt es genügend Eltern, die dies nicht tun. Oft einfach deshalb, weil sie sich selber damit überhaupt nicht auskennen. Und selbst wenn, gibt es immer noch die anderen Kinder und Jugendlichen, auf deren Geräten die verbotenen Seiten doch noch anzusehen sind. Fotos, Filme, Texte können auch per WhatsApp verschickt werden und pornografische Inhalte finden sich zudem auch in Texten von Bushido, Frauenarzt und anderen deutschen Musikern aus der Rapszene. Und wer kann das noch alles kontrollieren?

Können Jugendlich zwischen Realität und Fiktion unterscheiden?

Die Hamburger Sexualforscher Gunter Schmidt und Silja Matthiesen haben 160 großstädtische Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren zu ihrem Pornoverhalten befragt. Wie nutzen diese die pornografischen Materialien und wie sind ihre Erfahrungen damit? Der Zugriff erfolgt in der Regel über das Internet, das Nutzungsverhalten von Jungen und Mädchen ist dabei sehr unterschiedlich: „Nicht einmal 10% der Mädchen, aber mehr als 90% der Jungen haben mehr als sporadische Erfahrungen mit Pornografie; keine der befragten Frauen, aber ein Drittel der jungen Männer benutzen oder benutzten Pornografie besonders oft, nämlich zwei Mal wöchentlich oder häufiger, über einen längeren Zeitraum hinweg.“

Dabei scheint es jedoch auch so zu sein, dass Jungen und Mädchen sehr wohl zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können. Auch die 12- bis 13-Jährigen sind laut der Medienpädagogin Anne Dahm, Prüferin der Filmwirtschaft bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), dazu durchaus in der Lage. Diesen Prozess können wir zusätzlich unterstützen.

Widerstand gegen Sexualpädagogik

Es stellt sich aus meiner Sicht weniger die Frage, wie wir Kinder und Jugendliche vor Pornografie schützen können, sondern vielmehr, wie wir damit umgehen sollen, wenn es passiert ist. Totschweigen? Auf keinen Fall!

Spricht man von Sexualpädagogik in der Schule, sieht man in den Augen vieler Eltern das ganz große P. Panik!!!

•    Sie wollen nicht, dass ihre Kinder in der Schule frühsexualisiert und sie selber als Eltern bei dieser Thematik entmündigt werden.
•    Manche wollen das Thema Sexualität am Liebsten ganz von ihren Kleinen fernhalten.

Das geht soweit, dass in Städten wie Hamburg oder Dresden die Gruppe „Besorgte Eltern“ zu einer Demonstration gegen die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ aufruft. Bei dieser Form der Aufklärung geht es vor allem darum, Kindern und Jugendlichen die Vielfalt sexueller Orientierungen und Identitäten zu vermitteln. Nicht alle Übungen, die in dem dazugehörigen Buch beschrieben werden, sind aus meiner Sicht unbedingt nötig, um Kindern und Jugendlichen ein Verständnis dieser Vielfalt zu vermitteln. Die vielzitierte Modernisierung eines Bordells hat sicherlich noch etwas Zeit. Aber auch hier könnte man in einer Zusammenarbeit auch direkt auf die Befürchtungen der Eltern eingehen.

Die Vermittlung von Medienkompetenz ist Präventivarbeit

Wir können letztendlich nicht verhindern, dass irgendwann, in welchem Zusammenhang auch immer, ein Kontakt mit Pornografie stattfindet. Wichtig ist deshalb, Medienkompetenz zum Thema Pornografie zu vermitteln. Themen könnten sein:

•    Porno ist nicht gleich Porno.
•    Bearbeitung der vermittelten Geschlechterstereotypen.
•    Es gibt einen Unterschied zwischen Porno und gelebter Sexualität.
•    Gespräche über Erfahrungen, Wünsche und Ängste, die durch den Konsum pornografischer Inhalte entstehen.
•    Sexualität ist mehr als Lust und Orgasmus.

Wir machen Kinder und Jugendliche damit nicht neugierig. Das sind sie sowieso schon und genau das ist auch gut so. Wir bringen sie damit auch nicht erst auf „dumme“ Gedanken. Die haben sie ohnehin. Denn je verbotener etwas ist, desto größer ist die Macht, die es ausübt. Und warum sollten wir die Eltern in diese Arbeit nicht miteinbeziehen? Elternabende vorher und nachher sind mit Sicherheit ein besserer Weg, als das Thema von vorneherein auszuklammern.

Veröffentlicht auf idee für mich

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