Du bist Single? Warum denn? Weil es Dir gefällt?! Stimmt ja, das kann doch so schön sein! Keine Verpflichtungen, der Kühlschrank voll mit Lieblingsleckereien, kein Geschnarche auf dem Kopfkissen nebenan, Sex mit wem du willst. Die Liste könnte man individuell anpassen und endlos um viele weitere wunderbare Punkte erweitern.
Aber damit ist wohl Schluss. So langsam drängt sich mir die Sorge auf, dass es bald keinen Platz mehr gibt für das gewollte Alleinsein. Und auch keine Ausrede mehr dafür. Fast schon muss man sich entschuldigen für diesen Beziehungsstatus. Denn wir werden indoktriniert. Die großen Partnerbörsen durchfluten wohl nicht nur mein Bewusstsein. Kaum läuft der Fernseher, erscheinen schöne, junge Menschen auf dem Bildschirm und erklären mir, dass sie auf Partnersuche sind und ihr Leben verändern möchten. Nicht nur ihren Beziehungsstatus, nein, ihr ganzes Leben. Als könnte es für Singles kein erfülltes Leben geben.
Und natürlich suchen dort auch alle den Partner fürs Leben. Mit weniger geben wir uns ja nicht mehr zufrieden:
➢ Dürfte es auch ein One Night Stand sein? Nein.
➢ Eine Affäre vielleicht? Nein.
➢ Die große Liebe? Ja bitte.
Es scheint ja auch so einfach zu sein: „Ich parshippe jetzt!“ ist der Eigenname für die Partnersuche wie der O.B. für den Tampon. Und wer nicht mitmacht, ist selber schuld. Aber warum denn eigentlich? Wir sind doch so offen! Alles ist möglich, nur für den Single-Status werden wir uns bald rechtfertigen müssen.
Der große Run auf die Datingportale
In den Datingportalen scheinen die Möglichkeiten bei der Suche nach dem Traumpartner oder der Traumpartnerin schier unendlich.
• Hier werden gleich ganze Abonnements angeboten, dort gibt es die Zufallstreffer.
• Die einen sitzen tagelang an ihrem Profil, den anderen reicht ein Schnappschuss auf dem Sofa.
Es gibt genügend Menschen, denen es auf der Suche nach dem großen Glück doch noch zu viel Arbeit bedeutet, sich offiziell anzumelden, Kontodaten einzugeben, etwas über sich preis zu geben und sich Gedanken darüber zu machen, was sie eigentlich suchen.
Aber das macht ja nichts. Für diejenigen gibt es Dating-Apps wie Tinder. Ein Bild von sich gepostet, wenn es denn schon sein muss, und fertig. Mehr braucht man nicht. Wischen, wischen, wischen, da wird schon noch jemand dabei sein. Zu stressig? Gut, dann nehmen wir eben Once. Hier braucht man sich nur einen Menschen pro Tag anzusehen. Der Frage, welcher es denn sein darf, geht ein Algorithmus nach. Herrlich, es ist fast wie im Supermarkt. Man braucht im Prinzip nur zuzugreifen. So scheint es. Alles ganz einfach. Du bist noch Single? Ja warum denn? Such Dir doch jemanden! Du willst gar nicht? Kann nicht sein.
Unsere Filmhelden und Filmheldinnen leben es uns vor
Nicht nur die Partnerbörsen verbreiten das Bild des glücklichen Paares. Die allerbeste Vorlage bietet das Fernsehen. In den äußerst beliebten Serien geht es um die ganz große Liebe. Wer hat nicht mit Carrie gefiebert, als sich in endlosen Folgen von Sex and the City die große Liebe zu Mr. Big anbahnte? Was für ein Drama, als Derek durch einen Autounfall starb und eine ganz große Liebe nach ebenso endlosen Folgen von Greys Anatomy abrupt ein Ende fand!
Auch in den großen Blockbustern finden sich sehr häufig Mr. und Mrs. Right, die gegenseitig ihr Leben auf den Kopf stellen. Ich erwähne da nur Pretty Woman, Titanic oder Spiderman. Und dann haben wir noch all die deutschen Soaps, die besonders gern von Jugendlichen nach der Schule gesehen werden. Berlin bietet doch die allerbesten Vorlagen, wie sich Menschen kennenlernen, lieben, streiten. Zu zweit natürlich. Liebe, Liebe, Liebe. Du willst das gar nicht? Gibt’s nicht!
Beziehung als Gesundheitsfaktor
Partnerschaften sind übrigens auch gut für die Gesundheit, so heißt es. Menschen in Beziehungen leben länger, sind gesünder und haben mehr Spaß am Leben.
➢ „Intime Beziehungen sind gut für uns. Sie geben uns ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Wer in einer stabilen Partnerschaft lebt, kann seine Probleme und Sorgen jederzeit mit dem Partner teilen. Man kann auf die gegenseitige Unterstützung hoffen und hat jemanden, der einem mit Rat und Tat zur Seite steht.“
Das habe ich auf der Internetseite gluecksdetektiv.de gelesen. Schade, die armen Singles, könnte man denken. Trostloses Leben. Mit wem redet die über ihre Probleme? Wer hört ihnen zu? Tatsächlich haben Singles aber oftmals ein sehr ausgeprägtes soziales Beziehungsgefüge. Wenn alles Gold wäre, was glänzt, hätten die vielen Paartherapeuten und -beratern nichts zu tun. Niemand käme zu ihnen, weil es in der Beziehung nicht läuft, weil der Partner oder die Partnerin untreu ist, weil die sexuellen Wünsche unerfüllt bleiben. Du bist Single und glücklich? Genieß das Leben!
Glücklich sein kann man auch ohne Partner
Bitte versteht mich nicht falsch. NATÜRLICH gibt es die Liebe, „bis dass der Tod Euch scheidet“. Und NATÜRLICH gibt es glückliche Paare und stabile Beziehungen. Aber wir schauen nur selten hinter die Kulissen. Viel zu oft zerfleischen sich Paare, bestehen ungesunde Abhängigkeiten, werden Träume nicht gelebt. Der Alltag hält den Idealen nicht stand. Die Romantik im Film endet mit dem Abspann. Was danach passiert, erfahren wir höchstens bei Bridget Jones.
Gleichzeitig werden die elf Millionen Singles gern als defizitär dargestellt. Als befänden sie sich in einem Zwischenleben, das nicht gleichwertig ist. Es scheint so, als seien alle auf der Suche nach Liebe und Partnerschaft. Aber das stimmt nicht. Es gibt jede Menge selbst ernannte Singles, die das Leben einfach genießen. Vielleicht waren sie einmal Teil eines Paares, vielleicht werden sie es irgendwann auch wieder sein. Aber in der Zeit dazwischen genießen sie ihren Status und brauchen keine mitleidigen Blicke. Wenn Sie also das nächste Mal einen Single zu Besuch habt, fragt nicht: „Uuuuund, hast Du schon jemanden gefunden?“ Ruft stattdessen: „Lebe dein Leben!“
Wenn du dir wünschst, selbstbestimmt als Single zu lebe, dann kannst du mit mir in meiner Praxis für Sexualtherapie in Hamburg darüber sprechen. Oder auch über Skype!